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Anne auf Green Gables

Anne auf Green Gables

Titel: Anne auf Green Gables Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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zwitscherten fröhlich und flatterten mit ihren Flügeln, als warteten sie darauf, Anne wie jeden Morgen am Fenster zu begrüßen. Doch Anne war nicht zu sehen. Als Marilla ihr das Frühstück brachte, saß sie mit steifer Haltung auf dem Bett und sah Marilla mit feuchten Augen an. Ihr Gesicht sah blass und entschlossen aus. »Marilla, ich bin bereit zu gestehen.«
    »Aha!« Marilla stellte zufrieden ihr Tablett ab. Ihre Methode hatte zum zweiten Mal Erfolg gehabt - allerdings einen recht bitteren Erfolg, wie sich bald zeigen sollte. »Dann lass mal hören. Was hast du zu deiner Entschuldigung vorzubringen?«
    »Ich habe die Brosche genommen«, sagte Anne ruhig. Sie leierte die Worte so gleichgültig herunter, als hätte sie den Text vorher auswendig gelernt. »Als ich sie in deinem Zimmer liegen sah, konnte ich der Versuchung einfach nicht widerstehen: Ich nahm sie und steckte sie mir an die Brust. Dabei stellte ich mir vor, wie schön das sein müsste, sie mit nach >Idlewild< zu nehmen und mit ihr zu spielen. Mit einer Amethystbrosche würde es viel einfacher sein, mich in Lady Cordelia Fitzgerald zu verwandeln. Ich dachte, ich könnte sie wieder zurücklegen, bevor du nach Hause kommst. Als ich über die Brücke des >Sees der glitzernden Wasser< schritt, nahm ich die Brosche heraus, um sie noch einmal anzuschauen. Wie schön sie in der Sonne glitzerte! Und dann, gerade als ich mich über das Brückengeländer beugte, um mein Spiegelbild zu betrachten, fiel sie mir aus der Hand und versank in den Fluten. Dort liegt sie nun für immer auf dem Grund des >Sees der glitzernden Wasser<. - Und das ist das Beste, was du von mir als Geständnis erwarten kannst, Marilla. Ich habe mir große Mühe gegeben.«
    Marilla fühlte einen bitteren Zorn in sich aufsteigen. Dieses Kind hatte ihre geliebte Amethystbrosche verloren und ratterte die ganze Geschichte mit tonloser Stimme herunter, ohne dabei die geringste Reue zu empfinden.
    »Aber das ist ja schrecklich, Anne!«, sagte sie, nur mühsam beherrscht. »Du bist das ungezogenste Mädchen, von dem ich je gehört habe.«
    »Ja, du hast Recht«, stimmte Anne ihr ruhig zu. »Und ich weiß, dass ich Strafe verdiene. Es ist deine Pflicht, mich zu bestrafen, Marilla. Willst du es nicht gleich tun? Dann haben wir es hinter uns und ich kann reinen Gewissens zum Picknick gehen.«
    »Picknick? Das wäre ja noch schöner! Du gehst nicht zum Picknick, Anne Shirley. Das ist deine Strafe. Und sie ist für das, was du getan hast, noch lange nicht schwer genug.«
    »Nicht zum Picknick gehen!« Anne sprang auf und umklammerte Manilas Hand. »Aber du hast mir versprochen, dass ich gehen darfl Oh, Marilla, ich muss zu dem Picknick. Deshalb habe ich ja auch das Geständnis abgelegt. Bitte, Marilla, lass mich hingehen! Denk doch nur an die Eiskrem! Vielleicht habe ich in meinem ganzen Leben keine Gelegenheit mehr, Eiskrem zu essen.«
    Doch Marilla zog ungerührt ihre Hand zurück.
    »Das Bitten und Betteln kannst du dir sparen, Anne. Du gehst nicht zum Picknick und dabei bleibt es. Kein Wort mehr!«
    Verzweifelt warf sich Anne auf ihr Bett und fing bitterlich an zu weinen.
    Es war ein trauriger Morgen. Wie verbissen arbeitete Marilla vor sich hin. Sie schrubbte sogar den Boden der Veranda und die Bretter in der Milchkammer, obgleich sie eigentlich noch sauber waren - an irgendetwas musste sie ihren Zorn abreagieren. Dann ging sie hinaus und fegte den Hof.
    Als es Zeit zum Mittagessen war, ging sie zur Treppe und rief nach Anne. Ein tränenüberströmtes Gesicht erschien über dem Geländer. »Ich will nichts essen«, schluchzte Anne. »Ich könnte keinen Bissen runterkriegen. Mein Herz ist nämlich gebrochen. Dein Gewissen wird dich eines Tages noch dafür bestrafen, dass du es zerbrochen hast, Marilla. Vielleicht werde ich dir dann verzeihen, aber verlange nicht von mir, dass ich jetzt etwas esse — schon gar nicht gekochtes Schweinefleisch und Blattgemüse. Das ist ein viel zu unromantisches Essen für den Zustand der Verzweiflung, in dem ich mich befinde.« Glühend vor Zorn ging Marilla in die Küche zurück und klagte Matthew ihr Leid. Doch ihrem Bruder - hin und her gerissen zwischen seinem Gerechtigkeitssinn und seinem Mitleid mit Anne - war ebenso jämmerlich zu Mute.
    »Sie hätte die Brosche nicht nehmen und uns keine Lügengeschichte auftischen dürfen«, gab er zu, während er traurig auf sein unromantisches Schweinefleisch mit Blattgemüse starrte, »aber sie ist noch so klein. Meinst

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