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Anne auf Green Gables

Anne auf Green Gables

Titel: Anne auf Green Gables Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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gekommen ist und ihr das Gästezimmer nun doch nicht bekommen könnt. Aber ich war so müde, dass ich einfach eingeschlafen bin. Ich hoffe, ihr habt die Tante nicht gestört, Diana?«
    Diana hüllte sich in Schweigen, Anne und sie wechselten verstohlene Blicke. Gleich nach dem Frühstück ging Anne nach Hause und blieb auf diese Weise von dem ersten Gewittersturm verschont, der bald über den Barry’schen Haushalt hereinbrach. Erst als sie am späten Nachmittag zu Mrs Lynde hinüberlief, um eine Besorgung für Marilla zu erledigen, erfuhr sie von der ganzen Bescherung.
    »Wie ich höre, habt ihr, Diana und du, die arme, alte Miss Barry fast zu Tode erschreckt?«, fragte Mrs Lynde mit ernster Stimme, zwinkerte ihr dabei jedoch vergnügt zu. »Mrs Barry hat vor ein paar Minuten bei mir hereingeschaut und mir alles erzählt. Sie macht sich große Sorgen. Die alte Miss Barry hat sich schrecklich aufgeregt. Sie wollte eigentlich einen ganzen Monat hier bleiben, aber jetzt hat sie erklärt, sie bliebe keinen Tag länger als unbedingt erforderlich und würde morgen schon in die Stadt zurückkehren. Sie hatte versprochen, Dianas Klavierstunden zu bezahlen, aber für so einen ungezogenen Wildfang will sie nun keinen Pfennig mehr ausgeben. - Na, das muss heute Morgen jedenfalls ein fürchterliches Donnerwetter gegeben haben. Den Barrys war das äußerst unangenehm. Die alte Miss Barry ist nämlich reich und sie haben immer versucht, besonders gut mit ihr zu stehen. Das hat mir Mrs Barry natürlich nicht erzählt, aber ich besitze genug Menschenkenntnis, um es mir an den Fingern abzuzählen.«
    »Ach, was bin ich nur für ein Unglücksrabe«, sagte Anne traurig. »Andauernd handele ich mir Ärger ein und ziehe meine besten Freunde mit in den Schlamassel. Können Sie mir nicht sagen, woran das liegt, Mrs Lynde?«
    »Das kommt daher, dass du so hitzköpfig und impulsiv bist, mein Kind - jawohl! Sowie dir etwas einfällt, sagst oder tust du es, ohne auch nur einen Moment lang darüber nachzudenken.«
    »Ja, aber das ist doch gerade das Schöne daran!«, erklärte Anne. »Irgendetwas geht einem durch den Kopf und man hat das Gefühl, wenn man es nicht sofort rauslässt, platzt man vor Aufregung. Wenn man erst einmal eine Weile darüber nachgedacht hat, ist es doch nur noch halb so aufregend. Ist es Ihnen denn noch nie so gegangen, Mrs Lynde?«
    Mrs Lynde schüttelte weise den Kopf. »Du musst lernen, zuerst nachzudenken, Anne. >Wer's eilig hat, der gehe langsam< - besonders, wenn es sich um Betten in fremden Gästezimmern handelt.«
    Mrs Lynde schmunzelte über ihren eigenen Scherz, doch Anne blieb weiterhin nachdenklich. Sie fand die Situation ganz und gar nicht witzig. Als sie sich von Mrs Lynde verabschiedet hatte, lenkte sie ihre Schritte Richtung Orchard Slope. An der Küchentür traf sie Diana. »Deine Tante Josephine ist sehr böse auf uns, nicht wahr?«, flüsterte Anne.
    »Ja«, antwortete Diana, »sie hat getobt vor Zorn, Anne. Und wie sie mit mir geschimpft hat! Sie sagte, ich sei das ungezogenste Mädchen, das ihr je begegnet sei, und meine Eltern sollten sich für meine misslungene Erziehung schämen. Keinen Tag länger wolle sie in unserem Haus bleiben. Von mir aus kann sie ruhig gehen, aber Mutter und Vater macht es doch etwas aus.«
    »Warum hast du ihr nicht gesagt, dass es alles meine Schuld war?«, wollte Anne wissen.
    »Hast du das wirklich von mir erwartet?«, fragte Diana entrüstet. »Ich bin keine Lügnerin, Anne Shirley. Wir waren beide schuld.«
    »Nun gut, dann werde ich es ihr eben selbst sagen«, sagte Anne bestimmt.
    Diana starrte ihre Freundin ungläubig an. »Anne Shirley, tu das bloß nicht! Sie ... sie wird dich bei lebendigem Leib auffressen.«
    »Mach mir nicht noch mehr Angst, als ich sowieso schon habe«, flehte Anne sie an. »Lieber würde ich in das Rohr einer geladenen Kanone kriechen als zu deiner Tante Josephine zu gehen. Aber ich muss es tun, Diana. Zum Glück habe ich inzwischen einige Erfahrungen darin, Geständnisse abzulegen und mich zu entschuldigen.«
    »Also gut, sie ist im Wohnzimmer«, sagte Diana. »Ich an deiner Stelle würde aber nicht zu ihr hingehen. Ich glaube nicht, dass du bei ihr irgendetwas erreichen wirst.«
    Trotz dieser wenig ermutigenden Worte wandte sich Anne tapfer der Höhle des Löwen zu - oder anders ausgedrückt: Sie ging mit großen Schritten zur Wohnzimmertür und klopfte mehrmals an. Ein scharfes »Herein!« war die Antwort.
    Miss Josephine Barry saß in

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