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Anne auf Green Gables

Anne auf Green Gables

Titel: Anne auf Green Gables Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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Avonlea natürlich Aufsehen erregen.
    Der alte Mr Bentley - der Pfarrer, dem Anne schon bei ihrem ersten Gottesdienstbesuch einen großen Mangel an Phantasie bescheinigt hatte - hatte achtzehn Jahre in Avonlea verbracht. Er kam als Witwer, und das blieb er auch - trotz der zahlreichen Gerüchte, die ihm jedes Jahr eine neue Braut andichteten. Im vorigen Februar hatte er - sehr zum Bedauern seiner treuen Gemeindemitglieder, die aus Gewohnheit an ihrem alten Pfarrer hingen und ihm seine mangelnde Redekunst und einige andere Fehler gern verziehen - sein Amt niedergelegt.
    Nach einer gewissen Übergangszeit war nun die Wahl auf Mr Allan als Nachfolger von Mr Bentley gefallen. Er und seine Frau hatten gerade erst geheiratet und sahen voller Schwung und Tatendrang ihrer neuen Aufgabe entgegen. Die Gemeinde von Avonlea nahm die beiden herzlich auf. Den alten wie den jungen Leuten gefiel die offene, fröhliche Art des jungen Mannes und seiner hübschen Frau. Auch Anne hatte Mrs Allan sofort ins Herz geschlossen. Sie hatte eine neue verwandte Seele entdeckt.
    »Mrs Allan ist wunderbar«, verkündete sie eines Morgens. »Sie hat unsere Klasse in der Sonntagsschule übernommen. Bei ihr machen die Stunden richtig Spaß. Gleich als Erstes hat sie gesagt, dass sie es ungerecht findet, wenn nur der Lehrer Fragen stellen kann - genau das, was ich schon die ganze Zeit gedacht habe, Marilla! Sie meinte, wir könnten ihr so viele Fragen stellen, wie wir wollten. Ich habe gleich damit angefangen. Im Fragenstellen bin ich gut, Marilla.«
    »Das glaube ich gerne«, sagte Marilla im Brustton der Überzeugung. »Außer mir hat nur noch Ruby Gillis eine Frage gestellt, und zwar wollte sie wissen, ob wir im Sommer wieder ein Picknick machen. Das hatte zwar nichts mit dem Stoff der Stunde zu tun - es ging um Daniel in der Löwengrube -, aber Mrs Allan lächelte und sagte, bestimmt würde es eins geben. Mrs Allan hat ein wunderschönes Lächeln ... sie bekommt dann himmlische Grübchen in den Wangen. Ich wünschte, ich hätte auch Grübchen, Marilla. Vielleicht könnte ich dann ebenfalls andere Menschen zum Guten lenken. Mrs Allan sagt, wir sollten immer versuchen, andere Menschen zum Guten zu lenken. Ach, sie kann so wunderbar über alles reden! Ich habe noch gar nicht gewusst, dass Religion so etwas Fröhliches sein kann, bisher war es immer ein schrecklich trauriges und trockenes Zeug.«
    »Ich denke, wir sollten Mr und Mrs Allan bald einmal zum Tee einladen«, sagte Marilla nachdenklich. »Außer auf Green Gables sind sie schon fast überall gewesen. Mal überlegen . . . Nächsten Mittwoch ginge es zum Beispiel. Aber sag Matthew bloß nichts davon. Wenn er es vorher erfährt, erfindet er bestimmt irgendeine Ausrede, um sich rechtzeitig zu verdrücken. An Mr Bentley hatte er sich schon gewöhnt, aber es wird ihm schwer fallen, sich mit einem neuen Pfarrer anzufreunden- von einer neuen jungen Pfarrersfrau gar nicht erst zu reden.«
    »Ich werde schweigen wie ein Grab«, versicherte Anne. »Marilla, darf ich bitte einen Kuchen für Mittwoch backen? Ich würde so gerne etwas für Mrs Allan tun und du weißt doch, dass ich inzwischen schon ganz gut backen kann.«
    »Gut, du kannst eine Schichttorte machen«, versprach Marilla.
    Am Montag und Dienstag wurden auf Green Gables große Vorbereitungen getroffen. Den Pfarrer und seine Frau einzuladen war ein wichtiges und ernstes Unterfangen und Marilla hatte nicht die Absicht, hinter irgendeiner anderen Hausfrau in Avonlea zurückzustehen. Anne war vor Freude ganz aufgeregt. Sie besprach die ganze Angelegenheit ausführlich mit Diana, als sie am Dienstagabend in der Abenddämmerung beim >Nymphenteich< saßen und mit Zweigen, die sie in Tannenharz getaucht hatten, kleine Regenbögen in das Wasser zauberten.
    »Alles ist vorbereitet, Diana - außer meinem Kuchen und den Keksen, die Marilla erst kurz vorm Eintreffen der Gäste in den Ofen schieben wird. Ich kann dir sagen, Diana: Marilla und ich hatten ganz schön viel zu tun die letzten Tage. Wenn man den Pfarrer und seine Frau zum Tee einlädt, trägt man eine große Verantwortung. So etwas habe ich noch nie erlebt. Du solltest mal unsere Speisekammer sehen! Es gibt Zunge und Hähnchen in Aspik, Schlagsahne und Zitronencreme, Kirschtorte, drei Sorten Plätzchen und Marillas berühmtes Pflaumenkompott, das nur bei besonderen Anlässen auf den Tisch kommt; Früchtebrot und Schichttorte und außerdem sowohl frisches als auch altes Brot, falls der Pfarrer

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