Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung
Einkommens, gepaart mit der fast sicheren Aussicht auf etwas Dauerhafteres lange vor dem fraglichen Termin, hätten die beiden Familien den Wünschen der jungen Leute zugestimmt, so daß ihre Hochzeit wohl schon in wenigen Monaten stattfinden werde, ähnlich bald wie die von Louisa. Und es sei eine ganz vorzügliche Pfarre, fügte Charles hinzu, nur fünfundzwanzig Meilen entfernt von Uppercross und sehr schön gelegen – mitten im schönsten Dorsetshire, in einem der besten Jagdreviere im Königreich – drei große Lehnsherren rundum, einer gewissenhafter und achtsamer als der andere, und für mindestens zwei davon könne Charles Hayter eine spezielle Empfehlung erhalten! »Nicht daß er sein Glück zu schätzen wissen wird«, bemerkte er, »Charles ist zu lau, was das Jagen angeht. Das ist sein größter Fehler.«
»Ich bin ja so froh, wirklich«, sagte Anne, »so ausnehmend froh, daß es sich so gefügt hat – daß bei zwei Schwestern, die es beide so sehr verdienen und die immer so gut Freund miteinander waren, die glücklichen Aussichten der einen nicht die der anderen trüben – daß beide so gleich sein dürfen in Wohlstand und Wohlbefinden. Eure Eltern freuen sich doch auch für beide gleich?«
»Aber ja. Mein Vater hätte nichts dagegen, wenn die beiden Herren reicher wären, aber sonst hat er an ihnen nichts auszusetzen. Zahlen zu müssen, weißt du, so viel Geld zahlen zu müssen, für zwei Töchter gleichzeitig, das kann keine angenehme Sache sein, und es beschneidet ihn in vielerlei Hinsicht. Nicht, daß ich deshalb fände, sie hätten kein Anrecht darauf, keineswegs. Natürlich sollen sie ihren Anteil als Töchter bekommen, zu mir war er schließlich auch immer ein sehr gütiger, freigebiger Vater! Mary paßt Henriettas Wahl ganz und gar nicht. Sie war ja immer dagegen. Aber sie unterschätzt ihn, und sie denkt zu wenig an Winthrop. Es will ihr einfach nicht in den Kopf, welchen Wert solch ein Besitz hat. Es ist eine sehr annehmbare Partie in Zeiten wie diesen, und ich habe Charles Hayter mein Lebtag gemocht, da werde ich jetzt nicht damit aufhören.«
»So gute Eltern, wie Mr. und Mrs. Musgrove es sind«, rief Anne aus, »müssen doch froh und glücklich sein über die Partien ihrer Kinder. Sie tun ganz gewiß alles, um ihr Glück zu fördern. Welch ein Segen für junge Leute, in solchen Händen zu sein! Euer Vater und eure Mutter scheinen so völlig frei von allem falschen Ehrgeiz, der schon zu so viel Torheit und Leid geführt hat, bei Jung wie bei Alt! Und Louisa ist inzwischen völlig wiederhergestellt, hoffe ich?«
Er antwortete mit einem Zögern: »Doch, ich denke schon – unbedingt; aber sie ist verändert, kein Rennen und Hüpfen und Lachen und Tanzen mehr, es ist ganz anders jetzt. Wenn man bloß die Tür ein klein wenig fester zuzieht, zuckt sie schon und schaudert zusammen wie ein kleines junges Hühnchen im Wasser; und Benwick hockt den lieben langen Tag an ihrem Ellbogen und liest ihr Gedichte vor und flüstert ihr ins Ohr.«
Anne mußte lachen. »Ich weiß, das kann nicht ganz nach deinem Geschmack sein«, sagte sie, »aber ich halte ihn trotzdem für einen vortrefflichen jungen Mann.«
»Ganz bestimmt ist er das. Niemand bezweifelt es, und ichhoffe, du hältst mich nicht für so engstirnig, daß alle Männer für mich die gleichen Interessen und Zeitvertreibe haben müssen wie ich. Ich halte große Stücke auf Benwick; und wenn man es nur schafft, ihn zum Reden zu bringen, dann weiß er eine Menge zu sagen. Seine Leserei hat ihm, scheint’s, nicht geschadet, denn kämpfen kann er ja auch. Er ist ein wackerer Bursche – letzten Montag hab ich ihn erst so recht kennengelernt. Da war den ganzen Morgen große Rattenhatz in meines Vaters Ställen, und er hat so tüchtig seinen Mann gestanden, daß er mir richtig ans Herz gewachsen ist.«
Hier wurden sie unterbrochen, denn Charles wurde dringend nebenan verlangt, um Spiegel und Porzellan zu bewundern; aber Anne hatte genug gehört, um im Bilde zu sein über die frohe Wendung, die die Dinge in Uppercross genommen hatten, und sich daran mitzufreuen; und wenn es auch eine Freude nicht ohne Seufzer war, waren es doch Seufzer ohne Mißgunst und Neid. Es tat ihr weh, ihnen an Glück nachstehen zu müssen, aber verringert wünschte sie dieses Glück deshalb nicht.
Der Besuch verlief durchweg in Hochstimmung. Mary war bester Dinge, ganz beschwingt von all der Zerstreuung und Abwechslung, und so befriedigt über die Fahrt im Vierspänner
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