Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung
ihrer Schwiegermutter und ihre Unabhängigkeit vom Camden Place, daß sie genau richtig aufgelegt war, um alles gebührend zu bewundern und lebhaft auf die zahlreichen Vorzüge des Hauses einzugehen, die ihr so minutiös dargetan wurden. Sie wollte nichts von Vater und Schwester, und die Vornehmheit ihrer Salons hoben ihren eigenen Status in gerade dem rechten Maß.
Elizabeth litt eine Zeitlang beträchtlich. Ihr Gefühl sagte ihr, daß sie es Mrs. Musgrove und ihrer gesamten Reisegesellschaft schuldete, sie zum Essen zu sich zu bitten, aber es war ihr unerträglich zu denken, daß der veränderte Stil und die geschrumpfte Dienstbotenzahl, die bei einem solchenEssen zutage treten mußten, von denen miterlebt würden, die in Kellynch stets so weit unter den Elliots gestanden hatten. Es war ein Kampf zwischen Anstand und Eitelkeit; doch die Eitelkeit obsiegte, und Elizabeth war wieder guten Muts. Dies war der Gang ihrer Überlegungen: – »Altmodisches Denken – provinzielle Gastlichkeit – wir geben nun einmal keine Essen – fast niemand in Bath gibt Essen – Lady Alicia denkt gar nicht daran, sie hat nicht einmal die Familie ihrer eigenen Schwester eingeladen, die einen ganzen Monat hier war, und ich bin sicher, ich täte Mrs. Musgrove sowieso keinen Gefallen damit – es würde ihr zu viele Umstände machen. Sie würde bestimmt lieber nicht kommen – sie kann bei uns nicht unbefangen sein. Ich werde sie alle für den Abend zu uns bitten, das ist viel besser – das wird etwas Neues sein, etwas Besonderes. Zwei Salons wie die unsrigen haben sie im Leben noch nicht gesehen. Sie werden entzückt sein, morgen abend kommen zu dürfen. Es wird eine richtige Soiree werden – klein, aber hochelegant.« Und damit war Elizabeth es zufrieden; und als die Einladung an die beiden Anwesenden erging und für die Abwesenden angekündigt wurde, war auch Mary restlos glücklich. Es war ausdrücklich vorgesehen, daß sie Mr. Elliot kennenlernen und Lady Dalrymple und Miss Carteret vorgestellt werden sollte, deren Teilnahme trefflicherweise schon gesichert war; und eine größere Genugtuung konnte ihr nicht widerfahren. Miss Elliot wollte sich die Ehre geben, Mrs. Musgrove im Lauf des Vormittags einen Besuch zu machen, und Anne brach mit Charles und Mary auf, um sie und Henrietta gleich zu begrüßen.
Ihr Plan einer Unterredung mit Lady Russell mußte vorerst hintangestellt werden. Sie schauten alle drei auf ein paar Minuten in der Rivers Street vorbei; aber Anne entschied, daß die beabsichtigte Enthüllung auch noch einen Tag warten konnte, und angetrieben von einem Eifer, der sich aus Erinnerungen aller Art speiste, eilte sie weiter zum WeißenHirsch, um die Freunde und Gefährten vom Herbst wiederzusehen.
Sie trafen Mrs. Musgrove und ihre Tochter im Hause an, allein, und Anne wurde von beiden freudig empfangen. Henrietta war so erfüllt von ihren plötzlich so rosigen Zukunftsaussichten, ihrem so frischen Glück, daß sie überfloß von Zuneigung und Anteilnahme für alle, die sie jemals auch nur im entferntesten gern gehabt hatte; und Mrs. Musgrove liebte Anne ohnehin heiß und innig, seit sie ihnen in der Zeit ihres Kummers zur Seite gestanden hatte. Es herrschte eine Herzlichkeit, eine Wärme und Aufrichtigkeit, die Anne um so wohler tat, als sie ihr daheim so schmerzhaft versagt blieb. Sie bestürmten sie, ihnen soviel Zeit wie nur möglich zu schenken, jeden Tag, den ganzen Tag, sprich, sie vereinnahmten sie als Teil der Familie, und im Gegenzug verfiel Anne ganz von selbst in ihre gewohnte Rolle der Ratgeberin und Helferin und bekam, als Charles die Damen allein ließ, von Mrs. Musgrove alles über Louisa erzählt und von Henrietta alles über Henrietta, und gab ihre Meinung zu Anschaffungen ab, und empfahl Läden, und half nebenbei Mary mit allem, was diese benötigte – versetzte ihr hier eine Schleife, überprüfte dort eine Rechnung für sie, suchte ihre Schlüssel, sortierte ihre Schmucksachen und zerstreute zwischendurch ihre Sorge, sie könnte zu kurz kommen: eine Sorge, die Mary, so froh und zufrieden sie an ihrem Fensterplatz mit Blick auf die Trinkhalle gemeinhin auch war, doch regelmäßig anwandelte.
Ein Vormittag voller Trubel stand zu erwarten. Eine so große Gruppe in einem Gasthof, das konnte nicht ohne stete Wechsel und Wirren abgehen. Hier ein Billett, fünf Minuten später ein Paket, und Anne war noch keine halbe Stunde da, als ihr das Wohnzimmer, so geräumig es war, schon fast überfüllt
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