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Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Titel: Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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habe ich mich bis jetzt nicht verändert«, rief Anne und brach ab, um ja nicht mißverstanden zu werden – auf welche Weise mißverstanden, wußte sie selbst nicht. Nachdem er einige Augenblicke gewartet hatte, sagte er – wie aus einem unmittelbaren Gefühl heraus: »Es ist eine Weile, allerdings. Achteinhalb Jahre sind eine ganze Weile!«
    Ob er noch mehr gesagt hätte, das würde sich Anne in einer stilleren Stunde selbst ausdenken müssen; denn während sie seinen Worten noch nachhing, wurde sie zurückgeholt in andere Sphären: Henrietta, die die gegenwärtige Ruhepause unbedingt zum Aufbruch nutzen wollte, drängte ihre Gefährten, sich zu beeilen, bevor neue Besucher kämen.
    Sie mußten sich aufmachen. Anne behauptete, jederzeit gehfertig zu sein, und gab sich auch ganz so; aber wenn Henrietta geahnt hätte, mit welchem Bedauern, welchem Widerstreben im Herzen sie aus ihrem Sessel aufstand undsich zum Hinausgehen anschickte – Anne war sich sicher, Henriettas eigene Gefühle für ihren Vetter, und gerade die Gewißheit seiner Zuneigung, hätten sie Erbarmen mit ihr haben lassen.
    Die Vorbereitungen fanden freilich ein jähes Ende. Unheilverkündende Geräusche wurden laut; weiterer Besuch nahte, und die Tür flog auf, um Sir Walter und Miss Elliot einzulassen, deren Erscheinen allgemeines Erstarren zur Folge hatte. Anne spürte eine augenblickliche Beklemmung, und niemandem, den sie ansah, schien es anders zu gehen. Die Behaglichkeit, die Unbeschwertheit, die frohe Stimmung im Zimmer war wie weggeblasen, abgelöst von kalter Gefaßtheit, vielsagendem Schweigen oder leerem Geschwätz, um der herzlosen Eleganz ihres Vaters und ihrer Schwester zu begegnen. Wie furchtbar, sich dessen bewußt zu sein!
    In einem erfuhr ihr wachsames Auge Genugtuung. Captain Wentworth wurde auch diesmal von beiden gegrüßt, von Elizabeth huldvoller als zuvor. Sie richtete sogar einmal das Wort an ihn und blickte mehrere Male zu ihm hin. Überhaupt drehte und wendete sich Elizabeth außerordentlich viel hin und her. Das Nachfolgende lieferte die Erklärung. Nachdem einige Minuten über den schicklichen Floskeln verplätschert waren, sprach sie die Einladung aus, durch die jegliche verbleibenden Schuldigkeiten den Musgroves gegenüber abgegolten sein sollten: morgen abend, ein paar Freunde kämen auch, nichts Förmliches. Das alles wurde mit großer Anmut vorgebracht, und die Karten, mit denen sie sich ausgerüstet hatte, »Miss Elliot gibt sich die Ehre …«, wurden auf den Tisch gelegt, mit einem höflichen Lächeln für alle und einem gesonderten Lächeln nebst gesonderter Karte für Captain Wentworth. Denn Elizabeth war schon lange genug in Bath, um zu begreifen, was ein Mann von seinem Auftreten und seinem Äußeren wert war. Die Vergangenheit zählte nicht. Was zählte, war, daß Captain Wentworth sich sehr gut in ihrem Salon machen würde. Die Karte wurde mit der nötigenPointiertheit überreicht, und Sir Walter und Elizabeth erhoben sich und verschwanden.
    Die Unterbrechung, wiewohl schwerwiegend, war kurz gewesen; und Unbefangenheit und Angeregtheit stellten sich bei den meisten Zurückbleibenden wieder ein, sobald die Tür hinter ihnen zufiel, nur nicht bei Anne. Sie konnte an nichts denken als an die Einladung, der sie mit solchem Erstaunen beigewohnt hatte, und an die Miene, mit der diese Einladung aufgenommen worden war: eine schwer deutbare Miene, die mehr auf Verblüffung schließen ließ denn auf Erfreutheit, mehr auf höfliche Kenntnisnahme denn auf Einwilligung. Sie kannte ihn; sie sah den Unwillen in seinem Blick und wagte nicht zu glauben, daß er sich dazu hergeben konnte, die Geste als Sühne für all die früheren Affronts zu nehmen. Der Mut sank ihr. Er behielt die Karte auch noch in der Hand, nachdem sie schon weg waren, scheinbar tief in ihre Betrachtung versunken.
    »Und daß Elizabeth wirklich alle mit eingeladen hat!« flüsterte Mary sehr hörbar. »Kein Wunder, daß Captain Wentworth völlig überwältigt ist! Schau, er mag die Karte gar nicht aus der Hand legen.«
    Anne fing seinen Blick auf, sah, wie ihm das Blut ins Gesicht stieg und seine Lippen sich zu einem augenblickslangen Ausdruck der Verachtung verbogen, und wandte sich ab, um nicht noch mehr Peinigendes sehen und hören zu müssen.
    Die Gesellschaft spaltete sich auf. Die Herren hatten Geschäfte zu erledigen, die Damen nahmen ihre Besorgungen in Angriff, und solange Anne mit von der Partie war, kam man nicht wieder zusammen. Die anderen

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