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Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Titel: Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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geben, und schon tobte der Sturm der Gefühle, vor dem sie sich für den Großteil des Vormittags sicher gewähnt hatte, von neuem los. Es gab keinen Aufschub, keine Zeitvergeudung. DieSeligkeit solcher Folter, oder die Folter solcher Seligkeit, hatte sie augenblicklich wieder. Sie war noch keine zwei Minuten im Zimmer, da sagte Captain Wentworth:
    »Dann schreiben wir unseren Brief am besten jetzt gleich, Harville, wenn du mir Schreibzeug gibst.«
    Schreibzeug lag auf einem separaten Tischchen bereit; er setzte sich dort nieder und machte sich, mehr oder weniger mit dem Rücken zu ihnen allen, ans Schreiben.
    Mrs. Musgrove erstattete Mrs. Croft gerade Bericht über die Verlobung ihrer Ältesten, und zwar genau in jenem ärgerlichen Tonfall, bei dem jedes Wort deutlich hörbar ist, auch wenn es sich als Flüstern ausgibt. Anne fühlte sich nicht zum Mitreden berufen, fing aber, da Captain Harville in Gedanken versunken und wenig gesprächig schien, nolens volens etliche unwillkommene Einzelheiten auf, darüber, wie »Mr. Musgrove und mein Schwager Hayter« sich immer wieder getroffen hätten, um die Sache zu besprechen, und was ihr Schwager Hayter an einem Tag vorgeschlagen habe und was Mr. Musgrove am nächsten, und was ihrer Schwester Hayter eingefallen sei und was die jungen Leute gewünscht hätten und was ihr selbst erst völlig inakzeptabel vorgekommen sei, »aber zuletzt habe ich mich dann doch umstimmen lassen, und jetzt finde ich, es paßt sehr gut«, und noch viele solch offenherzige Mitteilungen mehr – Details, die, auch mit allem Geschmack und Feinsinn dargeboten, welcher der braven Mrs. Musgrove abging, nur die Hauptakteure selbst faszinieren konnten. Mrs. Croft hörte sich gutmütig alles an, und wenn sie einmal etwas einwarf, dann war es stets sehr vernünftig. Anne hoffte, daß die Herren zu beschäftigt mit sich waren, um viel mitzubekommen.
    »Und wenn man nun alles zusammen betrachtet, Ma’am«, sagte Mrs. Musgrove mit ihrem kraftvollen Flüstern, »hätten wir’s uns sicherlich anders wünschen können; aber wir wollten doch nichts unnötig auf die lange Bank schieben, denn Charles Hayter war ganz versessen darauf, und Henrietta warfast genauso schlimm, und so dachten wir, sollen sie eben gleich heiraten und das Beste draus machen; sie wären ja nicht die ersten. Immer noch besser, so hab ich gesagt, als eine zu lange Verlobung.«
    »Genau, was ich auch sagen wollte«, rief Mrs. Croft. »Besser, zwei junge Leute tun sich mit einem kleinen Einkommen zusammen und stehen ein paar Schwierigkeiten gemeinsam durch, als daß sie sich auf eine lange Verlobung einlassen müssen. Ich finde immer, daß keine gegenseitige –«
    »Ach! Liebe Mrs. Croft!« rief Mrs. Musgrove, außerstande, sie ausreden zu lassen, »es gibt nichts, was ich so furchtbar für junge Leute finde wie eine lange Verlobungszeit. Das hab ich auch meinen Kindern immer gepredigt. Eine Verlobung zwischen zwei jungen Leuten ist schön und gut, sage ich immer, solange feststeht, daß sie in sechs Monaten heiraten können, oder von mir aus auch in zwölf; bloß keine zu lange Verlobung!«
    »Ganz richtig, meine Liebe«, sagte Mrs. Croft, »oder eine ins Ungewisse hinein, eine Verlobung, die sich hinziehen kann. Zu beginnen, ohne zu wissen, daß zu einem bestimmten Zeitpunkt die Mittel zum Heiraten vorhanden sein werden, halte ich für sehr unsicher und unklug und für etwas, das alle Eltern meines Erachtens verhindern sollten, so gut sie es können.«
    Hier horchte Anne doch auf. Wider Erwarten fühlte sie sich angesprochen, fühlte es in einem nervösen Schauder am ganzen Körper, und im selben Moment, in dem ihr Blick instinktiv zu dem Tischchen hinüberschnellte, stockte Captain Wentworths Feder, er hob den Kopf, innehaltend, lauschend, und eine Sekunde später sah er sich um – sah sie an, kurz und bewußt.
    Die beiden Damen redeten im gleichen Stil weiter, versicherten einander ein ums andere Mal ihre anerkannten Wahrheiten und belegten die unseligen Auswirkungen einer gegenteiligen Handlungsweise mit Beispielen aus eigenerAnschauung, aber Anne hörte sie nicht mehr richtig; die Worte waren nur ein Brausen in ihren Ohren, ihr Gemüt war in Aufruhr.
    Captain Harville, der wirklich nichts von alledem mitbekommen hatte, stand nun von seinem Stuhl auf und trat ans Fenster, und Anne, die in seine Richtung schaute, wenn auch in völliger Geistesabwesenheit, nahm nach und nach wahr, daß er sie einlud, näherzukommen. Er lächelte ihr zu

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