Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung
nahm wohl Mary die Nachricht auf. Eine verheiratete Schwester war etwas, womit man sich schmücken konnte, und sie durfte sich schmeicheln, wesentlich zum Zustandekommen der Partie beigetragen zu haben, indem sie Anne im Herbst zu sich bestellt hatte; und da ihre eigene Schwester besser sein mußte als die Schwestern ihres Mannes, traf es sich sehr gut, daß Captain Wentworth reicher war als Captain Benwick oder Charles Hayter. – Ein wenig hatte sie vielleicht zu schlucken, daß ihr Anne, wenn sie von nun an zusammenkamen, wieder mit den Rechten der Älteren ausgestattet und als Herrin eines schmucken Landauletts 14 entgegentrat; doch die Zukunft, in die sie blickte, wog dies mehr als auf. Auf Anne warteten kein Uppercross Hall, keine Ländereien, kein Vorsitz über eine Familie; und solange nur dafür gesorgt war, daß Captain Wentworth nicht plötzlich zum Baronet ernannt wurde, hätte sie mit Anne nicht tauschen mögen.
Es wäre der ältesten Schwester zu wünschen gewesen, daß sie ähnlich zufrieden mit ihrem Los war, denn mit einer Veränderung desselben ist kaum zu rechnen. Nicht lange, und sie mußte erleben, daß Mr. Elliot sich zurückzog; und niemand von passendem Rang ist seither auf den Plan getreten, um wenigstens solch unbegründete Hoffnungen zu wecken, wie sie mit ihm untergegangen waren.
Die Nachricht von der Verlobung seiner Kusine Anne brach völlig unerwartet über Mr. Elliot herein. Sie durchkreuzte seine besten Pläne, sich sein häusliches Glück zu sichern, seine beste Hoffnung, Sir Walter mit all der Wachsamkeit,zu der seine Rolle als Schwiegersohn ihn berechtigt hätte, vom Heiraten abzuhalten. Doch bei aller Konsterniertheit und aller Enttäuschung konnte er dennoch etwas tun, um seine Interessen und seinen Spaß zu befördern. Schon bald verließ er Bath; und als Mrs. Clay kurz darauf ebenfalls aus Bath verschwand und nicht viel später ruchbar wurde, daß sie unter seiner Protektion in London etabliert sei, wurde offenbar, welch Doppelspiel er getrieben hatte und wie weit er zu gehen bereit war, um seine Pfründe zumindest gegen ein listiges Weib zu verteidigen.
Bei Mrs. Clay hatte die Verliebtheit die Oberhand über ihre Berechnung gewonnen, und um des Jüngeren willen hatte sie die Chance fahrenlassen, ihre Schlingen noch länger nach Sir Walter auszuwerfen. Sie ist jedoch nicht nur verliebt, sondern auch schlau; und es bleibt abzuwarten, ob nun seine Gerissenheit oder die ihre letztlich den Sieg davonträgt – ob er sich, nachdem er sie daran hindern konnte, die Gattin von Sir Walter zu werden, zum Schluß nicht doch beschwatzen und beschmeicheln läßt, sie zur Gattin Sir Williams zu machen.
Für Sir Walter und Elizabeth, das steht außer Frage, war es so bestürzend wie demütigend, ihre Gefährtin zu verlieren und sich so in ihr getäuscht zu sehen. Sie hatten freilich noch ihre vornehme Verwandtschaft als Trost; aber sie merkten doch auch, daß ständiges Bauchpinseln und Hofieren, wenn einen selbst niemand bauchpinselt und hofiert, nur das halbe Vergnügen ist.
Anne, die schon bald sicher sein durfte, daß Lady Russell Captain Wentworth zu lieben bereit war, wie sie sollte, fand ihre glücklichen Aussichten durch nichts getrübt als durch das Bewußtsein, keine Angehörigen mitzubringen, denen ein Mann von Verstand etwas abgewinnen konnte. In diesem Punkt spürte sie ihre Unterlegenheit schmerzlich. Die Ungleichheit ihrer Vermögen kümmerte sie nicht, sie machte ihr keine Sekunde zu schaffen; aber keine Familie zu besitzen,die ihn in würdiger, schicklicher Manier aufnahm; nichts an Achtbarkeit, Eintracht oder Wohlwollen bieten zu können, um all die Wertschätzung und all die Herzlichkeit zu erwidern, mit der seine Geschwister sie so prompt willkommen hießen, schmerzte sie so, wie sie unter ansonsten so beglückenden Umständen eben etwas schmerzen konnte. Sie hatte nur zwei Freundinnen auf der Welt, die sie zum Kreis der Seinen beisteuern konnte, Lady Russell und Mrs. Smith. Diese zwei jedoch schloß er willig in sein Herz. Lady Russell, ihre früheren Verfehlungen hin oder her, wußte er nun vollauf zu schätzen. Solange er sie nicht dafür loben mußte, sie seinerzeit auseinandergebracht zu haben, war er zu fast jedem anderen Lob bereit; und was Mrs. Smith anging, so konnte diese gleich mehreres für sich geltend machen, was sie ihm schnell und dauerhaft empfahl.
Der gute Dienst, den sie Anne so kürzlich erwiesen hatte, wäre allein schon genug gewesen; und die
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