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Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Titel: Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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der Wert dieses Kompliments wurde für Anne um ein Unendliches gesteigert durch die Erinnerung an einen sehr anderen Ausspruch und durch die Gewißheit, daß es die Folge und nicht die Ursache seiner wiedererwachten Zuneigung war.
    Er hatte in Shropshire gesessen und sich über seinen verblendeten Stolz und seine verfehlte Planung gegrämt, bis ihn die verblüffende und beglückende Nachricht von Louisas Verlobung mit Benwick mit einem Schlag erlöste.
    »Damit«, sagte er, »war das Schlimmste vorbei; denn nun konnte ich mein Glück zumindest versuchen, ich konnte die Dinge in die Hand nehmen, ich konnte etwas tun. Aber so lange untätig warten zu müssen, und nur auf Schlimmes zu warten, war grauenhaft gewesen. Innerhalb von fünf Minuten hatte ich mir gesagt: ›Am Mittwoch bin ich in Bath‹, und das war ich. War es unverzeihlich von mir zu denken, daß es der Mühe wert sein könnte, und mit einem Funken Hoffnung anzukommen? Du warst unverheiratet. Ganz ausgeschlossen schien es nicht, daß die Gefühle von früher noch in dir weiterlebten, so wie in mir; und eines immerhin machte mir Mut: Auch wenn ich nicht zweifeln konnte, daß du von anderen geliebt und umworben sein wirst, so wußte ich doch von wenigstens einem Mann, den du abgewiesen hattest, obwohl er dir mehr zu bieten vermochte als ich; und ich konnte nicht anders, als mich immer wieder zu fragen: war das meinetwegen geschehen?«
    Über ihre erste Begegnung in der Milsom Street fand sich viel zu sagen, aber über das Konzert noch viel mehr. Der ganze Abend schien aus kostbaren Momenten zusammengesetzt. Der Moment, als sie sich ihm im Foyer genähert und ihn angesprochen hatte, der Moment, als Mr. Elliot erschienen war, um sie wegzuholen, sowie ein oder zwei nachfolgende Momente der neu erwachenden Hoffnung oder der wachsenden Verzagtheit wurden mit Verve abgehandelt.
    »Dich zu sehen«, rief er, »umringt von all jenen, die mirganz gewißlich nicht wohlwollten; deinen Vetter so dicht an deiner Seite zu sehen, wie er mit dir plauderte und scherzte; und zu wissen, wie entsetzlich passend und schicklich eine Verbindung zwischen euch wäre! Sich klar zu sein, daß sie der ausdrückliche Wunsch eines jeden sein muß, der irgendeinen Einfluß auf dich hat! Und selbst wenn du noch zaudertest oder gleichgültig warst: sich vorzustellen, welch machtvolle Fürsprecher er hätte! War das nicht genug, den Narren aus mir zu machen, den ich dann abgab? Wie sollte ich nicht Qualen leiden? War nicht der bloße Anblick der Freundin in der Bank hinter dir, war nicht die bloße Erinnerung an damals, das Wissen um ihren Einfluß auf dich, der unauslöschliche, unverrückbare Eindruck dessen, was Überredung schon einmal bewirkt hatte – war nicht all das im Bund gegen mich?«
    »Du hättest unterscheiden sollen«, erwiderte Anne. »Du hättest mir jetzt nicht mißtrauen dürfen, wo der Fall ein so anderer ist und mein Alter ein so anderes. Wenn ich damals fälschlich der Überredung nachgegeben habe, vergiß nicht, es war Überredung, die der Sicherheit das Wort redete, nicht dem Wagnis. Als ich mich fügte, meinte ich, mich in meine Pflicht zu fügen; aber diesmal ließe sich keine Pflicht geltend machen. Einen Mann heiraten zu wollen, der meinem Herzen gleichgültig ist, hieße, jedes Wagnis eingehen und jede Pflicht mit Füßen treten.«
    »Vielleicht hätte ich mir das sagen sollen«, antwortete er, »aber ich konnte es nicht. Ich konnte keinen Nutzen ziehen aus meinen neuen Erkenntnissen über deinen Charakter. Ich konnte sie nicht mehr ins Spiel bringen; sie wurden überlagert, zugeschüttet von all den früheren Gefühlen, die mich Jahr um Jahr gepeinigt hatten. Ich konnte in dir nur die sehen, die sich gefügt hatte, die mich aufgegeben hatte, die sich von allen eher hatte leiten lassen als von mir. Ich sah dich mit ebenjener Person, deren Rat du in dem Unglücksjahr gefolgt warst. Nichts deutete für mich darauf hin, daß ihrUrteil jetzt weniger galt. – Dazu kam noch die Macht der Gewohnheit.«
    »Ich hätte gedacht«, sagte Anne, »mein Verhalten gegen dich hätte dir einige oder sämtliche dieser Gedanken ersparen können.«
    »Nein, nein! Das hätte einfach die Unbefangenheit sein können, die dir die Verlobung mit einem anderen verlieh. In diesem Glauben ging ich von dir; und doch wollte ich dich um jeden Preis wiedersehen. Der neue Morgen gab mir neuen Mut, und ich fand doch noch Grund zum Bleiben.«
    Endlich war Anne wieder zu Hause, und glücklicher, als

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