Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Titel: Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
Vom Netzwerk:
ich mir immer einbilden, daß mir alles Gute, was mir widerfährt, auch zusteht. Ich war es gewohnt, meinen Wert nach ehrlicher Mühe und dem gerechten Lohn dafür zu bemessen. Wie andere große Männer, die von einem Schicksalsschlag ereilt werden«, fügte er mit einem Lächeln hinzu, »muß ich wohl zusehen, daß ich mein Geschick demütig annehme. Ich muß mich damit abzufinden lernen, daß ich glücklicher bin, als ich es verdiene.«

KAPITEL XII
    Wer kann einen Zweifel an dem haben, was folgte? Zwei junge Menschen, die partout heiraten wollen, setzen ihren Kopf eigentlich immer durch, seien sie auch noch so arm, noch so töricht oder noch so wenig dazu geeignet, einander auf Dauer gutzutun. Dies mag eine schlechte Moral sein, um damit eine Geschichte zu beschließen, aber ich halte sie für eine sehr wahre; und wenn schon solche Paare ans Ziel kommen, wie sollten dann ein Captain Wentworth und eine Anne Elliot, mit so mächtigen Fürsprechern wie Reife des Urteils, Rechtmäßigkeit des Handelns und einem unabhängigen Vermögen für zwei, nicht jeden Widerstand überwinden? Auf jeden Fall hätten sie sehr viel mehr Widerstand überwinden können, als sich ihnen in den Weg stellte; denn sie erfuhren wenig Unbill außer fehlender Herzlichkeit und Wärme. – Sir Walter erhob keinen Einspruch, und Elizabeth begnügte sich damit, kalt und unbeteiligt dreinzuschauen. Captain Wentworth, der fünfundzwanzigtausend Pfund sein eigen nannte und es in seinem Beruf so weit gebracht hatte, wie Verdienst und Einsatz ihn nur bringen konnten, war kein Niemand mehr. Er durfte es sich nun herausnehmen, um die Tochter eines dümmlichen, verschwenderischen Baronets anzuhalten, der weder Grundsätze noch Verstand genug besessen hatte, um sich die Stellung zu bewahren, die ihm die Vorsehung zugedacht hatte, und der seiner Tochter vorab nur einen Bruchteil der zehntausend Pfund mitgeben konnte, die von Rechts wegen an sie fallen mußten.
    In der Tat fand Sir Walter (auch wenn er sich weder ausreichendin seiner Eitelkeit geschmeichelt sah noch ausreichend Gefühle für Anne hegte, um sich wahrhaft zu freuen), daß sie keineswegs schlecht mit ihm fuhr. Im Gegenteil, bei näherer Bekanntschaft mit Captain Wentworth – nachdem er ihn mehrmals bei Tageslicht gesehen und ihn gründlich betrachtet hatte – war er höchst angetan von dessen körperlichen Vorzügen und durchaus geneigt, sein überlegenes Äußeres als geeigneten Ausgleich für ihren überlegenen Rang zu werten; und all dies, vereint mit seinem klangvollen Namen, befähigte Sir Walter zu guter Letzt, mit untadelig huldvoller Miene die Feder zu zücken, um die Eheschließung in das Ehrenbuch einzutragen.
    Die einzige von ihnen allen, deren Mißfallen ernstliche Sorge bereiten konnte, war Lady Russell. Anne wußte, daß es Lady Russell hart ankommen mußte, sich von ihrem Bild von Mr. Elliot zu verabschieden, und nicht minder hart, das wahre Wesen Captain Wentworths kennen und schätzen zu lernen. Doch eine andere Wahl blieb Lady Russell nun nicht. Sie mußte sich mit dem Gedanken abfinden, daß sie sich in beiden getäuscht, sich bei beiden von äußerem Schein hatte trügen lassen: daß sie, weil Captain Wentworths Auftreten nicht ihren Vorstellungen entsprach, daraus vorschnell einen Charakter von gefährlichem Ungestüm abgeleitet hatte; genau wie sie, weil Mr. Elliot so ganz nach ihrem Herzen war mit seiner Schicklichkeit und Korrektheit, seiner unfehlbaren Verbindlichkeit und Glätte, darin vorschnell das untrügliche Zeichen untadeliger Ansichten und eines wohlgeordneten Geistes gesehen hatte. Nun oblag ihr nicht weniger, als einzugestehen, daß sie sich auf der ganzen Linie geirrt hatte, und sämtliche ihrer Meinungen und Hoffnungen zu revidieren.
    Manchen ist eine Raschheit der Auffassung gegeben, eine Feinheit in ihrem Urteil über andere, kurz, eine natürliche Menschenkenntnis, die sich durch kein Mehr an Erfahrung wettmachen läßt, und Lady Russell, so schien es, besaß diese Gabe in geringerem Maß als ihre junge Freundin. Aber siehatte ein sehr gutes Herz, und wenn auch ihr zweites Ziel war, vernünftig und klarsichtig zu sein, so war doch ihr erstes, Anne glücklich zu wissen. Sie liebte Anne mehr, als sie ihre eigenen Fähigkeiten liebte, und fand es, nachdem die anfängliche Befangenheit überwunden war, nicht weiter schwer, den Mann wie eine Mutter ins Herz zu schließen, den ihr anderes Kind zu seinem Glück brauchte.
    Am freudigsten in der ganzen Familie

Weitere Kostenlose Bücher