Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung
Heirat der beiden beraubte sie nicht der Freundin, sondern bereicherte sie um einen Freund. Sie war ihre erste Besucherin in ihrem neuen Heim; und indem Captain Wentworth ihr dabei half, die Besitzungen ihres Mannes auf den Westindischen Inseln zurückzuerlangen; indem er für sie schrieb, für sie eintrat und sie mit der ganzen Energie und Entschlossenheit eines furchtlosen Mannes und verläßlichen Freunds durch sämtliche Verzwicktheiten des Falles steuerte, zeigte er sich mehr als erkenntlich für all die Gefälligkeiten, die sie seiner Frau getan hatte oder je noch tun würde.
Mrs. Smiths Frohnatur litt keinen Schaden durch diese Aufstockung ihrer Einkünfte, so wenig wie durch die Besserung ihres Zustands oder den regen Kontakt mit zwei solchen Freunden, denn ihre Munterkeit und Alertheit ließen sie nicht im Stich; und solange dieser Hauptquell der Kraft nicht versiegte, hätte sie selbst einem noch größeren Zuwachs an weltlichen Gütern die Stirn zu bieten vermocht. Sie hätte steinreich und kerngesund sein können und trotzdemglücklich. Ihr Glück kam aus der Heiterkeit ihres Gemüts, so wie das ihrer Freundin Anne aus der Innigkeit ihres Fühlens kam. Annes Herz floß über vor Liebe, und Captain Wentworth vergalt es ihr in vollem Maße. Sein Beruf war das einzige, was ihre Freundinnen manchmal wünschen ließ, sie möge weniger an ihm hängen; die Angst vor einem möglichen Krieg das einzige, was ihre Stimmung verdüstern konnte. Sie ging darin auf, die Frau eines Seemanns zu sein, doch sie bezahlte mit stets wacher Sorge für ihre Zugehörigkeit zu diesem Stand, der sich durch seinen Familiensinn wenn möglich noch mehr auszeichnet als durch seine Verdienste um die Nation.
DAS URSPRÜNGLICHE ENDE DES ROMANS
KAPITEL X
8. Juli
Ausgestattet mit all diesen Erkenntnissen über Mr. E – & mit dieser Erlaubnis, sie weiterzugeben, verließ Anne die Westgate Buildgs –, innerlich vollauf beschäftigt mit dem, was sie erfahren hatte, mit Gefühlen, Gedanken, Erinnerungen & Vorahnungen jeglicher Art; schockiert über Mr. Elliot – beklommen ob der Zukunft von Kellynch und voll Mitleid mit Lady Russell, deren Vertrauen in ihn grenzenlos gewesen war. – Die Befangenheit, die seine Gegenwart von jetzt an unweigerlich auslösen mußte! – Wie ihm gegenübertreten?– wie ihn loswerden? – wie sich vor denen daheim verhalten?– wo wegsehen, wo handeln? – Es war ein einziger Wust von Vorstellungen & Zweifeln – eine Verwirrung, ein innerer Aufruhr, dessen Ende nicht abzusehen war – & noch in der Gay St nahm all dies sie so in Beschlag, daß sie aufschreckte, als Adml Croft sie ansprach, als wäre mit ihm hier am allerwenigsten zu rechnen. Sie waren nur wenige Meter von seiner Haustür entfernt. – »Sie wollen meine Frau besuchen, sagte er, sie wird sich sehr freuen.« – Anne verneinte: nein – sie habe keine Zeit, sie sei auf dem Nachhauseweg – aber während sie noch sprach, machte der Adml einen Schritt zurück & klopfte an die Tür, wobei er rief: »Doch, doch, gehen Sie nur gleich hinein, sie ist ganz allein; gehen Sie hinein & rasten Sie ein bißchen.« – Anne war so wenig nach Gesellschaft gleich welcher Art zumute, daß seine Nötigungen sie regelrecht quälten – aber ihr blieb nichts übrig alsanzuhalten. »Da Sie so freundlich darauf bestehen, sagte sie, will ich Mrs. Croft kurz guten Tag sagen, aber ich kann wirklich nicht mehr als 5 Minuten bleiben. – Ist sie denn ganz sicher allein?« – Ihr war der Gedanke an Capt. W. gekommen – und sie mußte sich aufs dringendste Gewißheit verschaffen – entweder daß er drinnen oder daß er nicht drinnen war –
welches
, das war nun die Frage. – »Aber ja, völlig allein – kein Mensch da außer ihrer Schneiderin, & die beiden sind seit mindestens einer halben Stunde in Klausur, da wird es bald überstanden sein.« – »Ihre Schneiderin! – aber dann könnte ich kaum ungelegener kommen. – Wirklich, kann ich nicht einfach meine Karte dalassen, & Sie sind so gut und erklären Mrs. C. nachher alles?« »Nein, nein, das kommt gar nicht in Frage. Sie wird überglücklich sein, Sie zu sehen. Ich kann auch nicht schwören, daß sie Ihnen nicht was zu sagen hat – aber alles zu seiner Zeit. Ich bin keiner, der Andeutungen macht. – Tja, Miss Elliot, uns kommen Dinge über Sie zu Ohren … (er lächelte ihr ins Gesicht) –. Nicht daß Sie so recht danach aussehen würden – ernst wie ein Richterlein.« – Anne errötete. – »Sehr
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