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Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Titel: Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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jemand dort ahnen konnte. Alle Überrumpelung und Ungewißheit, alle schmerzlichen Wirren des Morgens waren nach dieser Unterredung zu Nichts zerronnen, und sie wußte sich keinen anderen Rat in ihrem Glück, als es geschwind durch die Befürchtung abzuschwächen, es könne unmöglich von Dauer sein. Eine Zeit der inneren Einkehr, ernsthaft und dankbar, war die beste Abhilfe bei allem gefährlichen Überborden einer solchen Glückseligkeit; und sie ging in ihr Zimmer, und Dank und Freude machten ihr Herz furchtlos und fest.
    Der Abend kam, die Salons erstrahlten, die Gäste fanden sich ein. Es war nur eine Kartengesellschaft, nur ein Gemisch aus Leuten, die sich noch nie gesehen hatten, und anderen, die sich zu oft sahen – ein ganz banaler Anlaß, zu groß für Gemütlichkeit, zu klein für Vielfalt; aber für Anne war kein Abend je schneller vergangen. Gelöst und lieblich und von mehr Augen bewundert, als ihr bewußt war und als ihr recht gewesen wäre, begegnete sie all ihren Mitgeschöpfen mit Heiterkeit oder mit Nachsicht. Mr. Elliot war da: sie mied ihn, aber sie hatte Mitleid für ihn übrig. Die Wallises: es amüsierte sie, Bescheid über sie zu wissen. Lady Dalrymple und Miss Carteret: bald würden sie nur noch harmlose Verwandte sein. Sie stieß sich nicht an Mrs. Clay, und sie errötete nicht über das Gehabe von Vater und Schwester. Mit denMusgroves plauderte sie so vergnügt, wie nur völlige Ungezwungenheit es ermöglicht; mit Captain Harville in geschwisterlicher Zugewandtheit; mit Lady Russell in Anläufen, bei denen ein köstliches Bewußtsein sie immer wieder abbrechen ließ; mit dem Admiral und Mrs. Croft mit einer Herzlichkeit und Interessiertheit, die dieses selbe Bewußtsein zu bemänteln suchte; – und mit Captain Wentworth in einzelnen Momenten, von denen es immerfort neue gab, und immer die Hoffnung auf mehr, und immer das Wissen um seine Nähe!
    Bei einer dieser kurzen Begegnungen, während sie scheinbar jeder ein prächtiges Arrangement von Treibhausblumen bewunderten, sagte sie:
    »Ich habe über die Vergangenheit nachgedacht und versucht, unvoreingenommen zwischen Richtig und Falsch zu entscheiden, in bezug auf mein Tun, meine ich, und ich bleibe dabei, daß es richtig war, soviel Leiden es mir auch gebracht hat – daß es völlig richtig von mir war, auf die Freundin zu hören, die auch du bald mehr schätzen wirst als jetzt. Sie war wie eine Mutter für mich. Versteh mich nicht falsch. Ich sage nicht, daß sie nicht irrte mit ihrem Rat. Es war vielleicht einer dieser Fälle, in denen erst die Zukunft zeigen kann, ob ein Ratschlag gut oder schlecht ist, und ich für meinen Teil würde in keinem annähernd ähnlichen Fall so raten. Ich meine nur, daß ich recht daran getan habe, mich ihr zu fügen, und hätte ich anders gehandelt, dann hätte ich durch mein Beharren auf die Verlobung noch mehr gelitten als durch die Trennung, denn ich hätte in meinem Gewissen gelitten. Ich habe mir jetzt, soweit ein Mensch so etwas von sich sagen darf, nichts vorzuwerfen; und wenn mich nicht alles täuscht, so ist ein starkes Pflichtgefühl nicht die schlechteste Mitgift für eine Frau.«
    Er sah sie an, sah zu Lady Russell hinüber, und indem er wieder sie ansah, erwiderte er wie aus reiflicher Abwägung heraus:
    »So bald nicht. Aber es besteht Hoffnung, daß ihr beizeiten vergeben werden kann. Etwas Gnade findet sie bei mir über kurz oder lang sicher. Aber auch ich habe über die Vergangenheit nachgedacht, und ich habe mich gefragt, ob es nicht jemanden gab, der mir ein noch ärgerer Feind war als diese Dame. Mich selbst meine ich. Sag mir, wenn ich im Jahr 8, als ich mit ein paar tausend Pfund nach England zurückkam und Kapitän auf der Laconia wurde – wenn ich dir damals geschrieben hätte, hättest du mir auf meinen Brief geantwortet? Kurz, hättest du die Verlobung erneuert?«
    »Das fragst du!« war ihre ganze Antwort; aber der Tonfall sagte alles.
    »Gütiger Gott!« rief er, »also ja! Es ist nicht, als hätte ich nicht daran gedacht, es mir nicht gewünscht als die einzig wahre Krönung meines Erfolgs. Aber ich war stolz, zu stolz, um noch einmal zu fragen. Ich habe dich nicht verstanden. Ich war blind und wollte dich nicht verstehen, ich wollte nicht gerecht gegen dich sein. Wenn ich daran denke, sollte ich jedem anderen eher vergeben als mir. Sechs Jahre der Trennung und des Leidens wären uns erspart geblieben. Das ist eine Art von Schmerz, die ganz neu für mich ist. Bisher durfte

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