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Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Titel: Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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zurückzubringen.
    Dieses lange Wiesenstück führte längs eines Sträßchens, das ihr Fußweg am Ende der Wiese kreuzte, und als sie gerade am Gatter anlangten, zog der Wagen, den sie schondie ganze Zeit über gehört hatten, mit ihnen gleich und erwies sich als das Gig des Admirals. – Er und seine Frau hatten ihre geplante Ausfahrt gemacht und waren nun auf dem Heimweg. Als sie hörten, welch langen Marsch die jungen Leute schon hinter sich hatten, erboten sie sich, eine der Damen mitzunehmen, falls sich eine besonders erschöpft fühlte; es würde ihr eine volle Meile Wegs sparen, und durch Uppercross kam man ohnehin. Die Einladung erging an alle und wurde von allen abgelehnt. Die Miss Musgroves waren kein bißchen erschöpft, und Mary war entweder gekränkt, daß man sie nicht vor allen anderen gefragt hatte, oder der Elliotsche Dünkel, um mit Louisa zu sprechen, verbot es ihr, als dritte in einem Einspänner mitzufahren.
    Die Wanderer hatten die Straße überquert und kletterten über den Zauntritt auf der anderen Seite; und der Admiral trieb schon sein Pferd wieder an, als Captain Wentworth noch einmal über die Hecke setzte und seiner Schwester etwas zuraunte. Was, das ließ sich rasch aus seiner Wirkung erahnen.
    »Miss Elliot,
Sie
sind doch sicher müde«, rief Mrs. Croft. »Machen Sie uns die Freude und lassen sich von uns heimbringen. Hier ist wunderbar Platz für drei, ich versichere es Ihnen. Wenn wir alle Ihre Figur hätten, könnten wir wahrscheinlich sogar zu viert sitzen. – Sagen Sie ja, ich bestehe darauf!«
    Anne war noch auf der Straße, und die dankende Ablehnung, zu der sie unwillkürlich ansetzte, stieß auf taube Ohren. Der Admiral stimmte in das freundliche Drängen seiner Frau mit ein; sie ließen kein Nein gelten; sie machten sich so klein und schmal wie nur möglich, um ihr ein Eckchen abzutreten, und Captain Wentworth wandte sich wortlos zu ihr, so daß ihr keine andere Wahl blieb, als sich von ihm hineinheben zu lassen.
    Ja, – er hob sie hinein. Sie war im Wagen, und das war allein sein Werk, sein Wille und seine Hände hatten sie dorthinbefördert, ihm verdankte sie es, denn er hatte ihre Erschöpfung bemerkt und dafür gesorgt, daß sie ausruhen durfte. Die Haltung zu ihr, die in diesen Vorkommnissen offenbar wurde, berührte sie sehr stark. Die kleine Episode von eben schien ihr alles Vorausgegangene abzurunden. Sie verstand ihn. Er konnte ihr nicht verzeihen – aber fühllos konnte er dennoch nicht sein. Auch wenn er sie für das Gewesene verurteilte und mit großem und ungerechtem Groll darauf zurückblickte, auch wenn er nichts mehr für sie empfand und im Begriff stand, sich einer anderen zuzuwenden, konnte er sie doch nicht leiden sehen, ohne ihr Linderung verschaffen zu wollen. Es war ein Relikt einstiger Zuneigung; es war eine Regung reiner, wenn auch uneingestandener Freundschaft; es war ein Beweis seiner Güte und Herzenswärme, über den sie nicht nachdenken konnte, ohne von Gefühlen übermannt zu werden, bei denen Glück und Schmerz so eng verflochten waren, daß sie nicht wußte, was überwog.
    Ihre Antworten auf die freundlichen Nachfragen und Bemerkungen ihrer Reisegefährten erfolgten zunächst rein mechanisch. Sie waren das holperige Sträßchen schon zur Hälfte entlanggerumpelt, ehe sie so recht wahrnahm, was sie sagten. Dann drang zu ihr durch, daß es um »Frederick« ging.
    »Eins von den Mädeln wird er in jedem Fall nehmen wollen, Sophy«, sagte der Admiral; »fragt sich nur, welche. So lange, wie er ihnen schon nachstellt, sollte man meinen, langsam wüßte er, was er will. Tja, das kommt vom Frieden. Wenn wir Krieg hätten, hätte er seine Wahl längst getroffen.– Wir Seeleute, Miss Elliot, können uns im Krieg keine langen Freierszeiten erlauben. Wie viele Tage kannten wir uns gleich wieder, Liebste, als wir zusammen in unser Logis in North Yarmouth einzogen?«
    »Das verraten wir besser nicht, mein Lieber«, erwiderte Mrs. Croft behaglich, »denn wenn Miss Elliot hört, wie rasch wir zu einem Einvernehmen gelangt sind, glaubt sie uns nieim Leben, daß wir miteinander glücklich sind. Aber ich kannte dich ja schon eine Weile vom Hörensagen.«
    »Ja, und ich wußte, daß du ein bildhübsches Mädchen sein sollst, und worauf hätten wir auch groß warten sollen? Ich halte nichts davon, solche Dinge lange zu drehen und zu wenden. Ich wünschte wirklich, Frederick würde etwas mehr Segel setzen und uns eine der jungen Damen nach Kellynch heimführen.

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