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Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Titel: Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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als sonst etwas auf der Welt: ein festes Herz. Wenn Louisa Musgrove im November ihres Lebens noch immer schön und glücklich ist, dann, weil sie sich all ihre derzeitige Charakterstärke bewahrt hat.«
    Er schwieg – und Stille trat ein. Es hätte Anne auch überrascht, wenn Louisa leichthin Antwort auf eine solche Rede gewußt hätte – auf Worte von solcher Anteilnahme, so ernsthaft und mit solcher Wärme vorgebracht – sie konnte sich gut vorstellen, wie es in Louisa aussah. Was sie selbst betraf, so wagte sie keine Bewegung, um nur ja nicht entdeckt zu werden. Solange sie ruhig saß, verbarg ein niedrig wuchernder Stechpalmenbusch sie, und die beiden gingen schon weiter. Ehe sie jedoch außer Hörweite waren, vernahm sie wieder Louisa:
    »Mary ist ja in vielem kein schlechter Mensch«, sagte sie,»aber manchmal bringt sie mich über die Maßen auf mit ihrem Gehabe und ihrem Stolz – ihrem Elliotschen Dünkel. Sie hat einfach eine zu große Portion Elliotschen Dünkel.– Uns wäre es ja so viel lieber gewesen, Charles hätte Anne geheiratet. – Sie wissen doch sicher, daß er eigentlich Anne heiraten wollte?«
    Eine kurze Stille, dann sagte Captain Wentworth:
    »Heißt das, sie hat ihn abgewiesen?«
    »Aber ja.«
    »Wann war das?«
    »Genau weiß ich es nicht, Henrietta und ich waren zu der Zeit noch im Pensionat, aber ich glaube, so etwa ein Jahr, bevor er Mary geheiratet hat. Ich wünschte, sie hätte ihn genommen. Wir hätten sie alle viel lieber gemocht, und Papa und Mama denken immer, daß ihre Busenfreundin Lady Russell dahinterstecken muß. – Sie denken, Charles war Lady Russell wahrscheinlich nicht gelehrt und belesen genug und deshalb hat sie Anne überredet, ihn abzuweisen.«
    Die Stimmen entfernten sich, und Anne konnte nichts mehr verstehen. Ihre eigenen Empfindungen bannten sie an ihrem Platz fest. Sie hatte einiges zu verwinden, bevor sie sich wieder vom Fleck rühren konnte. Das sprichwörtliche Schicksal des Lauschers war nicht zur Gänze das ihre; sie hatte nichts Schlechtes über sich gehört – und doch vieles, das sie sehr schmerzlich ankam. Sie wußte nun, in welchem Licht sich ihr Charakter Captain Wentworth darstellte; und in seinem Ton hatte eine hinreichende Spur Anteilnahme und Interesse an ihr mitgeschwungen, um sie zutiefst aufzuwühlen.
    Sobald sie es vermochte, ging sie Mary suchen und kehrte mit ihr zu ihrem früheren Platz vor dem Zauntritt zurück, und sie atmete auf, als bald darauf die Gesellschaft wieder komplett war und man sich gemeinsam in Bewegung setzte. Es verlangte sie sehr nach der Einsamkeit und Stille, die nur die Menge gewährt.
    Charles und Henrietta stießen wieder zu ihnen und brachten, wie zu erwarten, Charles Hayter mit. Anne versuchte gar nicht erst, die Sache im einzelnen zu durchschauen, nicht einmal Captain Wentworth schien hier vollständig eingeweiht, doch daß es einen Rückzug seitens des jungen Herrn gegeben hatte und ein Einlenken seitens der jungen Dame und daß nun beide sehr froh waren, wieder vereint zu sein, war allen ersichtlich. Henrietta sah ein wenig beschämt aus, aber hochzufrieden, Charles Hayter maßlos glücklich, und beinah von ihren ersten Schritten in Richtung Uppercross an hatten sie nur Augen füreinander.
    Alles ersah nun Louisa für Captain Wentworth aus, nichts konnte eindeutiger sein; und sooft der Pfad schmal wurde, und nicht nur dann, fanden die beiden sich fast so verläßlich zusammen wie das andere Paar. Auf einem langen Wiesenstreifen, der ausreichend Platz für alle bot, gingen sie so aufgeteilt, in drei getrennten Gruppen, und zu der Dreiergruppe, die sich durch die geringste Gesprächigkeit und den mürrischsten Umgang hervortat, gehörte wohl oder übel Anne. Sie hielt sich an Charles und Mary und war müde genug, um sehr froh über Charles’ freien Arm zu sein; – aber Charles, obzwar überaus gut auf Anne zu sprechen, zürnte seiner Frau. Mary hatte ihm die Gefolgschaft verweigert und mußte dies nun ausbaden – was so aussah, daß er ihren Arm alle paar Sekunden fallenließ, um mit seiner Gerte ein paar Nesseln in der Hecke zu köpfen; und als Mary sich darüber zu beschweren begann und klagte, daß sie wie stets den schlechteren Teil erwählt habe, weil sie auf der Heckenseite gehen mußte, während Anne auf seiner anderen Seite keinerlei Unbill zu erleiden hatte, ließ er die Arme von beiden los, um einem Wiesel nachzusetzen, das er flüchtig erspäht hatte, und war gar nicht mehr zu ihnen

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