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Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung

Titel: Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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mit, Temperament für alles Schwungvolle, Konzentration für alles Gelehrsame, Geduld für alles Langatmige und hatte noch nie ein Konzert mehr genossen, zumindest bis zur Pause. Gegen Ende des ersten Teils, in der kurzen Pause nach einer italienischen Arie, übersetzte sie Mr. Elliot deren Text. – Sie schauten zusammen in das Programm.
    »Das«, sagte sie, »ist in etwa der Sinn, oder vielleicht besser der Inhalt der Zeilen, denn der Sinn eines italienischen Liebesliedes muß wohl kaum groß erklärt werden – aber das ist der Inhalt, annähernd zumindest, denn ich verstehe längst nicht alles an dem Text; dazu ist mein Italienisch zu lückenhaft.«
    »Ja, ja, das merke ich. Ich merke, daß Sie keine Ahnung von der Materie haben. Sie können die Sprache gerade nur gut genug, um diese verschachtelten, umgestellten, verknappten italienischen Verse aus dem Stegreif in klares, verständliches elegantes Englisch zu übertragen. Sie brauchen mir Ihre Unfähigkeit nicht weiter darzulegen. – Der Beweis liegt klar auf der Hand.«
    »Ich will mich nicht sträuben gegen solch freundliche Nachsicht, aber ein wirklicher Könner dürfte mir nicht auf die Finger schauen.«
    »Ich hatte nicht das Vergnügen, so lange am Camden Place zu verkehren«, entgegnete er, »ohne ein wenig über Miss Anne Elliot zu erfahren; und ich kenne sie als eine Frau vonzu großer Bescheidenheit, als daß die Welt auch nur über die Hälfte ihrer Gaben im Bilde wäre, und von zu großen Gaben, als daß ihre Bescheidenheit bei irgendeiner anderen Frau als bei ihr glaubhaft wirken könnte.«
    »Oh, schämen Sie sich! – so dick aufzutragen! Was kommt gleich wieder als nächstes?«, und sie wandte sich dem Programmheft zu.
    »Vielleicht«, sagte Mr. Elliot mit gesenkter Stimme, »vielleicht bin ich mit Ihrem Charakter ja schon länger bekannt, als Sie ahnen.«
    »Ach ja? Wie das? Sie können damit ja nur bekannt sein, seit ich in Bath bin, es sei denn, Sie hätten durch meine Familie von mir gehört.«
    »Ich kannte Sie aus Schilderungen schon lange, bevor Sie nach Bath kamen. Jemand, der Sie aus nächster Nähe kennt, hat Sie mir beschrieben. So betrachtet bin ich schon viele Jahre mit Ihnen vertraut. Ihre Persönlichkeit, Ihr Naturell, Ihre Gaben, Ihre ganze Art – all das habe ich geschildert bekommen, all das war mir schon geläufig.«
    Hatte Mr. Elliot damit ihr Interesse zu wecken gehofft, so sah er sich nicht enttäuscht. Ein solches Rätsel muß wohl jeden faszinieren. Einer neuen Bekanntschaft schon vor langem von einem namenlosen Dritten geschildert worden zu sein, das hat einen Reiz, dem nicht zu widerstehen ist; und Anne wurde immer neugieriger. Sie verwunderte sich, sie bedrängte ihn mit Fragen – umsonst. Er genoß es, befragt zu werden, aber eine Antwort gab er nicht.
    Nein, nein – ein andermal vielleicht, nicht jetzt. Jetzt wolle er keine Namen nennen; aber er könne ihr versichern, es sei die reine Wahrheit: Er habe bereits vor Jahren in einem Ton von Miss Anne Elliot berichten hören, der ihm den besten Eindruck von ihr vermitteln mußte und in ihm den innigen Wunsch weckte, sie kennenzulernen.
    Anne fiel niemand ein, der sich vor Jahren mit solcher Parteilichkeit über sie geäußert haben könnte, außer womöglichMr. Wentworth in Monkford, Captain Wentworths Bruder. Er konnte mit Mr. Elliot zusammengetroffen sein, aber sie brachte nicht den Mut auf zu fragen.
    »Der Name Anne Elliot«, sagte er, »hat für mich schon seit langem einen fesselnden Klang. Schon lange übt er auf mich einen Zauber aus, und wenn ich es wagen dürfte, so würde ich mir wohl wünschen, daß der Name nie ein anderer werden möge.«
    Das schienen ihr seine Worte zu sein; doch kaum waren sie an ihr Ohr gedrungen, da wurde sie durch andere Worte dicht hinter ihr abgelenkt, die alles Übrige nebensächlich machten. Ihr Vater war im Gespräch mit Lady Dalrymple.
    »Ein gutaussehender Mann«, sagte Sir Walter, »ein ausnehmend gutaussehender Mann.«
    »Ein überaus eleganter junger Mann, in der Tat!« stimmte Lady Dalrymple ihm zu. »Mehr Stil, als man ihn gemeinhin in Bath antrifft. – Irisch, würde ich vermuten.«
    »Nein, ich weiß zufälligerweise seinen Namen. Eine oberflächliche Bekanntschaft. Wentworth, Captain Wentworth von der Marine. Seine Schwester ist mit meinem Mieter in Somersetshire verheiratet – dem Croft, der Kellynch von mir mietet.«
    Noch ehe Sir Walter bei dieser Pointe angelangt war, hatte Anne die Richtung ausgemacht und

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