Anne Elliot oder die Kraft der Ueberredung
mußten sie hin.Das Konzert versprach gut zu werden, und Captain Wentworth liebte Musik. Schon ein paar Minuten der Unterhaltung, so glaubte sie, wären genug für ihre Zwecke; und was den Mut betraf, ihn anzusprechen, so meinte sie den schon aufzubringen, wenn die Gelegenheit sich bot. Elizabeth hatte ihn geschnitten, Lady Russell ihn übersehen; Annes Nerven waren durch diese Vorkommnisse gestählt; sie fand, sie schulde ihm Aufmerksamkeit.
Sie hatte sich für den Abend lose mit Mrs. Smith verabredet gehabt; doch in einem kurzen, überhasteten Besuch entschuldigte sie sich bei ihr und versprach dafür, am folgenden Tag mit mehr Muße zurückzukehren. Mrs. Smith fügte sich heiter.
»Gehen Sie unbedingt«, sagte sie; »aber erzählen Sie mir alles ganz genau, wenn Sie dann kommen. Wer ist denn noch mit von der Partie?«
Anne zählte sie alle auf. Mrs. Smith erwiderte nichts; aber als Anne sich verabschiedete, sagte sie mit einem Ausdruck, der halb ernst war und halb schelmisch: »Nun, ich hoffe aufrichtig, das Konzert verläuft nach Ihren Wünschen; und versetzen Sie mich morgen bitte nicht, wenn es Ihnen möglich ist; denn mich beschleicht so eine Ahnung, daß Ihre Besuche bei mir von jetzt an gezählt sein könnten.«
Anne war erschrocken und verwirrt; nachdem sie jedoch ein paar Sekunden unschlüssig dagestanden hatte, sah sie sich, nicht ohne ein Quentchen Erleichterung, gezwungen fortzueilen.
KAPITEL VIII
Sir Walter, seine beiden Töchter und Mrs. Clay waren die ersten aus ihrer Runde, die sich am Abend vor dem Konzertsaal einfanden; und da Lady Dalrymples Ankunft abgewartet sein wollte, postierten sie sich an einem der Kamine im Oktagon-Foyer. Doch sie hatten kaum Aufstellung genommen, als die Tür neuerlich aufging und Captain Wentworth hereinkam, allein. Anne stand ihm am nächsten und sprach ihn, indem sie noch einen kleinen Schritt weiter vortrat, unverzüglich an. Er hatte mit einer Verneigung an ihr vorbeigehen wollen, aber ihr vorsichtiges »Wie geht es Ihnen?« ließ ihn von seinem Kurs abschwenken; er blieb bei ihr stehen und erwiderte die Nachfrage, trotz der drohenden Gestalten von Vater und Schwester im Hintergrund. Die beiden in ihrem Rücken zu wissen, war Anne eine Hilfe; so mußte sie ihre Mienen nicht sehen und fühlte sich frei, in allem zu handeln, wie es ihr richtig erschien.
Während sie noch sprachen, fing sie ein Wispern zwischen ihrem Vater und Elizabeth auf. Worte konnte sie keine verstehen, aber worum es ging, war unschwer zu erraten; aus Captain Wentworths zurückhaltender Verbeugung schloß sie, daß ihr Vater Verstand genug besessen hatte, ihn immerhin zu grüßen, und aus den Augenwinkeln sah sie gerade noch Elizabeths angedeutetes Knicksen. Dies, wenngleich spät, und widerwillig, und ungnädig, war besser als nichts, und ihre Stimmung hob sich.
Nach einigen Bemerkungen über das Wetter, Bath sowie das Konzert geriet ihre Unterhaltung jedoch ins Stocken, unddie Pausen wurden so lang, daß sie dachte, er würde nun jeden Moment gehen, aber er ging nicht; er schien es nicht eilig zu haben, von ihr wegzukommen; und wenig später sagte er lebhaft, mit einem kurzen Lächeln, einem kurzen Erröten:
»Ich habe Sie ja kaum gesehen seit unserem Tag in Lyme. Der Schrecken muß noch sehr in Ihnen nachgewirkt haben, fürchte ich, um so mehr, als Sie damals so beherrscht geblieben sind.«
Sie versicherte ihm, daß dem nicht so sei.
»Es war eine furchtbare Stunde«, sagte er, »ein furchtbarer Tag!«, und er fuhr sich mit der Hand über die Augen, als wäre die Erinnerung noch immer zu schmerzlich; aber gleich darauf fügte er, nun wieder mit halbem Lächeln, hinzu: »Wobei der Tag ja einige Folgen gezeitigt hat – einige Auswirkungen hatte, die das genaue Gegenteil von furchtbar zu nennen sind. – Als Sie so geistesgegenwärtig vorschlugen, Benwick sei am besten geeignet, den Arzt zu holen, da konnten Sie wohl kaum ahnen, daß er über kurz oder lang zu demjenigen würde, dem mit am meisten an ihrer Genesung liegt.«
»Das konnte ich allerdings nicht. Aber mir scheint – ich hoffe, daß es eine sehr glückliche Ehe wird. Schließlich bringen beide Seiten gute Grundsätze und ein gutes Naturell mit.«
»Ja«, sagte er, ohne ihr in die Augen zu sehen – »aber da endet die Ähnlichkeit für mich auch schon. Ich wünsche ihnen von ganzem Herzen Glück und freue mich sehr über alles, was diesem Glück zuträglich ist. Den beiden werden zu Hause keine Steine in den Weg gelegt,
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