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Anne Frasier

Anne Frasier

Titel: Anne Frasier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marinchen
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verfärbte. Wie ihre Augen hervorquollen. Er zog und zog und zog. Als er schließlich losließ, kippte sie schwer zu Boden, die Luft drang aus ihren Lungen, huschte mit einem leisen Zischen über ihre Lippen.
    So. Endlich.
    Jetzt war sie still. Endlich war sie still. Jetzt war sie eine gute Mutter. Die Mutter, die er liebte.
    »Bettzeit«, sagte er zu ihr. »Du warst viel zu lange auf.«
    Er wickelte das Elektrokabel von ihrem Hals und zerrte sie über den Boden ins Schlafzimmer.
    Totes Gewicht, höhnte eine Stimme in seinem Kopf. Totes Gewicht. Die Hex' ist tot, und das ist gut. Die Hex' ist tot und das ist gut.
    Es bedurfte eines enormen Kraftaufwandes, eines enormen Zeitaufwandes. Er stemmte und hob, stemmte und schob und schließlich hievte er sie ins Bett. Er zog an ihren Armen ihren Beinen, versuchte, eine natürliche Lage zu arrangieren aber nichts funktionierte. Er riss das Laken unter ihrem fetten Arsch heraus und deckte sie damit zu. Er wollte gerade gehen, als er glaubte, sie etwas sagen zu hören.
    »Was?«, fragte er und drehte sich um.
    Drecksjunge. Dreckiger Drecksjunge.
    »Halt's Maul!«
    Er fand ein weiteres Laken auf dem Boden und warf es über ihr Gesicht, damit sie ihn nicht mehr anglotzte.
    Drecksjunge, dreckiger Drecksjunge.
    »Ich bin ein guter Junge«, flüsterte er und entfernte sich rückwärts, ohne den Blick von dem Klumpen auf dem Bett zu lösen. »Ich bin ein guter Junge.« Er tastete blindlings hinter sich, fand den Lichtschalter, schaltete das Licht aus, tauchte das Zimmer in Dunkelheit.
    Gute Nacht, mein Lieber.
    »Gute Nacht, Mami.«
    Am nächsten Morgen wachte er spät auf. Er sprang aus dem Bett und rannte hoch, suchte eilig Saft und Haferflocken. Er stellte das Frühstück auf ein Tablett, hätte am liebsten eine Blume gehabt, trug alles ins Zimmer seiner Mutter.
    »Zeit zum Frühstücken«, verkündete er, und sein Herz rumpelte schwer in seiner Brust. »Guten Morgen.«
    Sie rührte sich nicht.
    »Guten Morgen«, wiederholte er. Sie rührte sich nicht. Mit dem Tablett auf einer Hand näherte er sich langsam dem Bett, hob vorsichtig eine Ecke des Lakens mit der freien Hand.
    Er ließ das Laken fallen und sprang zurück.
    Seine Mutter starrte ihn an, ihr Gesicht grotesk geschwollen, die Augen hervorgequollen, die Zunge ragte aus ihrem Mund. Das Tablett glitt ihm von den Fingern und fiel, das Glas zerbarst, Saft und Haferflocken spritzten auf seine Hose. Er ging zu Boden, Glassplitter bohrten sich in seine Knie. Er hob eine Hand vor den Mund und stieß ein ersticktes Geräusch aus. Ein Keuchen. Ein Würgen.
    Sie war tot.
    Seine Mutter war tot.
    Tränen rannen ihm aus den Augen. Er konnte sie auf seinen Handrücken klatschen fühlen, heiß und scharf.
    Sie ist tot.
    Die blöde Kuh ist tot.
    Sein Mund stand offen. Sein Atem ging in kurzen, schnellen Stößen, und er gab einen Laut von sich, der irgendwo zwischen einem Schluchzen und einem Lachen lag.
    Etwas klingelte in seinem Hirn. Eine entfernte Erinnerung. Ein blonder Junge in einem Hockeytrikot neben einer rothaarigen Frau. Wenn man einmal die Haare außer acht ließ, sahen sie sich bemerkenswert ähnlich.
    Mutter und Sohn.
    Mutter und Sohn.

37
    »Wenn du dich zwischen einem zu großen und einem zu kleinen Kopf entscheiden müsstest, was würdest du nehmen?«
    Ethan war mit der CD beschäftigt, die er in der Hand hielt und antwortete daher zuerst nicht. »Mhm? Oh. Ich weiß nicht. Einen zu großen, schätze ich. Leute mit großen Köpfen sind klug. Wenn man eine zu kleine Rübe hätte, wäre man doch doof.«
    Ryans dauerndes Gequatsche ging Ethan auf die Nerven. Er hatte ihn aus selbstsüchtigen Gründen gefragt, ob er mit zu der Musikausstellung am Navy Pier kommen wollte: Ryan hatte einen Wägen. Ethan hatte es sich selbst gegenüber gerechtfertigt, indem er sich eingeredet hatte, Ryan würde die Show genauso stark finden wie Ethan. Er hatte gedacht, wenn Ryan erst mal da wäre, würde es ihm gefallen.
    Hier waren Händler aus dem ganzen Land, aus der ganzen Welt. Wenn man nach einem obskuren Album von einer kurzlebigen Gruppe suchte, von der nie jemand gehört hatte, dann konnte man es hier gut kriegen.
    Sie hatten sich beide Drei-Tages-Pässe gekauft, aber jetzt, nach fünf Stunden am ersten Tag, langweilte Ryan sich bereits. Er hatte sich auf den ersten Heavy-Metall-Tisch gestürzt, den er zu sehen bekam. Und ohne sich die Mühe zu machen, Vergleiche anzustellen, ohne sich die Mühe zu machen, tiefer zwischen die Myriaden

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