Anne Frasier
von Tischen und Menschen einzudringen, hatte er seine ganze Kohle in der ersten Stunde ausgegeben.
»Was kostet das Boxset von den Cocteau Twins?«, fragte Ethan den verschlafen aussehenden Typen mit dem Nasenring und dem Pferdeschwanz, der hinter einem langen Verkaufstisch stand. Hinter ihm hing ein schwarzes Stereolab-T-Shirt. Daneben ein langärmeliges Radiohead-Shirt.
»Achtzig Mäuse.«
»Ich kann das bei Cheapo für fünfundsechzig bestellen.«
Der Typ trank einen großen Schluck Soda. »Falls du's kriegst. Vielleicht erzählen sie dir auch nur, dass du's bestellen kannst, aber es kommt nie. Gibt's schon seit Jahren nicht mehr.«
Ethan wusste das. »Und diese Guided by Voices?«
»Fünfundzwanzig.«
Guided by Voices waren fantastisch, aber das hier war live, aufgenommen auf irgendeiner Geburtstagsparty, was hieß, dass Robert Pollard wahrscheinlich besoffen gewesen war. Und man will Guided by Voices nicht hören, wenn sie besoffen sind. Du kannst besoffen sein, aber sie nicht. Musik, die normalerweise fließend und eindringlich gespenstisch war, wurde dann zu hartem Punkrock, und der Gesang wandelte sich in Gebrüll. Brüllen war auch okay, zum Beispiel bei The Clash. Aber nicht bei den Songs von Guided by Voices.
»Danke.« Er stellte die CD zurück.
»Wie wär's mit Under the Bushes, Under the Stars?«, fragte der Verkäufer.
»Hab ich.«
»Alien Lanes?«
»Hab ich.« Ethan griff nach einem My-Bloody-Valentine-Album. Loveless. Er hatte die CD, aber er hatte nicht gewusst, dass es Loveless auf Vinyl gab. Er hatte die LP noch nie gesehen - das beeindruckte ihn.
»Ist das ein Re-Issue?«, fragte er.
Rechts von ihm, knapp neben seiner Schulter, faselte Ryan immer weiter. »Ist dir eigentlich mal aufgefallen, wie schwer Punks und Arbeitslose zu unterscheiden sind?«
»Nein. Das ist echt selten. Davon sind nur ein paar Tausend gepresst worden.«
Die Verkäufer erzählten einem immer solchen Scheiß.
Ethan war nicht blöd. Und trotzdem war es komisch, dass er nichts davon wusste. War das vielleicht ein Bootleg?
»Das ist, weil die Punks diesen >Hab meine Haare zwei Wochen nicht gewaschen, komm grad aus dem Bett-Look haben - und sie brauchen Stunden, bis sie so aussehen. Wohingegen die Arbeitslosen sich wirklich die Haare in den letzten zwei Wochen nicht gewaschen oder gekämmt haben. Sie haben keinen Glanz, und hinten sehen ihre Haare echt aus wie frisch aus dem Bett.«
Ethan steckte das Album zurück und wandte sich um zu seinem Freund. »Willst du gehen?«
Ryan sah sich um, als suchte er nach einem Grund, zu bleiben. »Ich find's langweilig«, sagte er, als er nichts Interessantes entdeckte.
»Was würdest du tun, wenn du nicht hier wärst?« Die Hände tief in den vorderen Taschen seiner Cargopants vergraben, zuckte Ryan mit den Schultern. »Ich weiß nicht. Videospiele spielen. Das ist viel spannender als das hier. «
Ryan war süchtig nach Videospielen. Eine Menge von Ethans Freunden waren süchtig nach Videogames.
»Ich will noch nicht gehen«, sagte Ethan. »Ich will noch eine ganze Weile hier bleiben. Warum fährst du nicht einfach allein?«
»Willst du trotzdem bei mir pennen?« Das schien jetzt zwecklos. »Nee. Ich geh nach Hause, we nn ich hier fertig bin. « »Wie kommst du heim? « »Ic h lass mir was einfallen. Vielleicht nehme ich den Zug bis zur Polizeizentrale und lass mich von meinem Alten mit nehmen. Oder ich ruf ihn an, und er kann mich abholen,« Es war immer doof, wenn man versuchte, jemand für etwas zu begeistern. Wenn man glaubte, sie mussten nur mal Galaxy 500´s Version von Yo ko Onos Listen, the Snow is Falling hören, oder Spiritualizeds Ladies and Gentlemen We Are Floating in Space. Grant Harts Good News for Modern
Man, um zu begreifen, dass Musik Kunst auf der höchsten Ebene war, eine Kombination aus Text und Tönen, die ein einzigartiges kinematografisches Wunder im Kopf auslösen konnte.
Aber sie kapierten es nie. Sie wollten es nicht kapieren. Ryan saß lieber vor der Glotze und spielte Killing Time, während im Hintergrund Heavy Metal dröhnte, als sich irgendwas mit Niveau anzuhören.
»Ich komm schon nach Hause«, sagte Ethan. »Mach dir keine Sorgen. Und danke fürs Mitnehmen.« »Kein Thema.«
Ethan sah Ryan davongehen, er drängte sich durch die Menge und verschwand.
Er erwartete zu viel von den Leuten, das war das Problem, dachte Ethan. Er erwartete zu viel vom Leben. Er wünschte sich durchaus, so sein zu können wie Ryan, so leicht
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