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Anne Frasier

Anne Frasier

Titel: Anne Frasier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marinchen
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schwitzenden Alten mit dem Fragebogen eine Weile versteckt hatte, sondern in der Gasse hinter seinem Haus. Nein: hinter dem Haus seiner Mutter.
    Das Licht oben war an, aber er versuchte, das zu ignorieren. Er ging zur Seitentür hinein, die direkt nach unten führte, in den Keller. Er ging schnell, doch die Holzstufen knarrten, verrieten ihn.
    »Bist du das?«, schrie sie von oben.
    Er erstarrte.
    »Komm sofort hierher!«
    Er blieb zitternd stehen.
    »Komm hier hoch! SOFORT!«
    Etwas Warmes, Nasses sickerte an einem Bein herunter; füllte seinen Schuh, lief über. Der überwältigende Geruch des Urins schlug ihm ins Gesicht.
    Langsam, denn sie war seine Mutter, und er war ein guter Junge, ging er die Treppe hinauf. Er durchquerte die Küche.
    Er fand sie im Wohnzimmer. Sie hatte ihr Schlafzimmer seit Wochen nicht verlassen, aber irgendwie war es ihr gelungen, sich zum Sofa zu schleppen. Sie stemmte sich auf die Füße und stand da, kippelig, versuchte, mit dem guten Bein das Gleichgewicht zu halten.
    Sie war der einzige Mensch, der Macht über ihn hatte. Sie war der einzige Mensch, der ihn noch vor Angst zittern lassen konnte, der ihn dazu brachte, sich in die Hose zu pissen.
    » Ich ... hatte einen Unfall«, sagte er. Irgendwas, Hauptsache sie blieb ruhig, Hauptsache sie schrie ihn nicht an. »Ich meine, ich habe einen Unfall beobachtet, ich musste dort bleiben und mit der Polizei reden.«
    »Du lügst!«
    »Nein. Nein, das ist die Wahrheit. Es war Fahrerflucht.
    Ein Mann wurde angefahren und sterbend auf der Straße liegen gelassen.«
    Das Licht aus der Küche brach sich in der metallenen Kette um ihren Hals, der Kette, die er der Hure Sachi Anderson genommen hatte. Da war sie, sie schmiegte sich in die schweißigen Falten ihrer Haut, zwinkerte ihn an, verführte in.
    »Du verfluchtes Dreckstück. Ich hätte dich ersäufen sollen, als du zur Welt kamst. Ich hätte dich an einen Stein binden und in den Michigansee werfen sollen.« »Das wäre Mord gewesen«, sagte er hölzern. Er konnte spüren, wie er sich zurückzog, und plötzlich beobachtete er die ganze Szene wie ein neutraler Zuschauer. Hier war er in Sicherheit. Er hatte immer noch die Macht, aber sie war im Ruhezustand, er konnte sie aufrufen, wenn er sie brauchte.
    »Es ist kein Mord, wenn du dich nicht mal als Menschenwesen qualifizierst.«
    »Qualifizierst.« Das war kein Wort, das sie normalerweise benutzte. »Hast du wieder Gerichtssendungen geguckt?«
    Er konnte sehen, dass seine Frage sie verblüffte, genau wie seine Frage den Barkeeper verblüfft hatte. Er griff nach einer Lampe und ging langsam auf sie zu; im Gehen riss er das Kabel aus der Steckdose. Die Angst auf ihrem Gesicht! Es war großartig! Großartig!
    Er hätte zu gern ein Foto davon gehabt, aber dafür war keine Zeit.
    Und er würde den Gesichtsausdruck sowieso nie vergessen. Der war für immer tief in sein Gedächtnis eingebrannt, zusammen mit all den anderen Erinnerungen an sie. »Stell das weg.«
    Sie ließ ihn nicht aus den Augen und trat einen Schritt zurück. Sie versuchte, in ihre Mutterrolle zurückzugelangen, versuchte, ihn zu verängstigen, damit er ihr gehorchte, aber
    diesmal funktionierte es nicht. Und selbst als sie ihn anschrie, konnte er die Angst in ihrem Blick sehen, den Schrecken.
    Er wollte nicht, dass dieser Augenblick endete. Er wollte ihn umarmen, genießen, so lange wie möglich ausdehnen.
    »Wer ist dein kleines Schatzi?«, fragte er.
    »D-das bist du.«
    »Und wen liebst du mehr als Elvis?«
    »D-dich.«
    »Und wen liebst du mehr als diesen blöden Wichser in dieser blöden Fernsehserie?«
    »Dich! Dich! Du weißt es doch: dich! A-also s-stell d-die Lampe weg«, bettelte sie, sie streckte vorsichtig die Hände in seine Richtung aus, dann zog sie ihre Arme zurück und verschränkte sie vor dem Körper.
    Er knallte die Lampe auf den Tisch. Sie zerbrach, und er riss das Kabel aus der zerbrochenen Keramik. »Sag es«, befahl er und schlang sich die beiden Enden des Kabels fest um die Hände. »Sag es laut.«
    »Ich liebe dich!« Sie weinte jetzt. Tränen der Angst liefen über ihre Wangen, ihr wabbeliges Fleisch zitterte.
    »Noch einmal!«
    »ICH LIEBE DICH!«
    Mit einer geschmeidigen Bewegung schlang er ihr das Kabel um den Hals und zog es fest zu, seine Muskeln verspannten sich vor Kraft, seiner unglaublichen Kraft.
    Ein Bild blitzte durch seinen Geist.
    Ein Junge und eine Frau.
    Mutter und Sohn.
    Mutter und Sohn.
    Er sah zu, wie ihr Gesicht sich violett

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