Anne Gracie
eine
ganz andere.
„Ich zahle
Ihnen keinen Penny“, sagte er zu der Frau. „Dieses Kind ist seiner
rechtmäßigen Mutter gestohlen worden, und Sie wurden bereits von dem Verbrecher
bezahlt, damit Sie es hier aufnehmen. Wir gehen.“
Ohne auf
ihr wütendes Kreischen und die unflätigen Beschimpfungen zu
achten, trug er Torie die Treppe hinunter und hinaus in den kalten
Dezemberabend. Er reichte sie Evans, schwang sich auf sein Pferd und lief? sich
Torie zurückgeben. Es war kalt, viel zu kalt für ein nur in Tücher gewickeltes
Baby. Er öffnete seinen Umhang, legte sich Torie in die Armbeuge und zog den
Umhang über sie.
„Komm,
Liebchen, jetzt machen wir dich erst einmal sauber.“ Es war zu spät, um an
diesem Abend noch nach Alverleigh zurückzureiten. Zu spät und zu kalt. „Zum
nächsten ordentlichen Gasthaus!“, sagte er zu Evans.
Sie
fanden ein
Gasthaus. Harry bestellte ein Abendessen für sich und Evans, das in einer
Stunde serviert werden sollte, und einen kleinen Badezuber und warmes Wasser
auf sein Zimmer.
Es war
schon dunkel, trotzdem schickte er Evans los, damit er Kleidung für Torie
kaufte und alles weitere, was ein Baby seiner Meinung nach brauchte. Ein Segen,
dass Evans aus einer so kinderreichen Familie stammte.
Harry legte
Torie vorsichtig auf das Bett und fing an, sie aus den schmutzigen Tüchern zu
wickeln. Die letzten klebten an ihrem kleinen Körper fest, und als Harry sie
abzulösen versuchte, fing Torie an zu schreien. Und schrie und schrie.
Es war ein
herzzerreißendes Geräusch, und Harry geriet allmählich in Panik. Er hatte
keine Ahnung, was er tun sollte. Behutsam hob er sie hoch. Ohne die vielen
Tücher war sie so winzig und zart, dass er Angst hatte, er könnte sie
zerbrechen.
Stützend
legte er eine Hand um ihren Hinterkopf und legte sie sich so an die Schulter,
wie er das Tilda abgeschaut hatte. Torie weinte jämmerlich.
„Nun,
nun“, murmelte er. „Wenn du erst einmal schön sauber bist, fühlst du dich
sicher gleich viel besser.“
Sie weinte
weiter. Harry ging mit ihr im Zimmer hin und her und wurde immer nervöser.
Eine
Bedienstete erschien mit einer kleinen Blechwanne und einem Krug mit heißem
Wasser. „Gott sei Dank“, begrüßte Harry sie erleichtert und hielt ihr das
Baby hin. „Sie weint. Was soll ich tun?“
Die junge
Frau wich zurück. „Ich weiß es nicht, ich kenne mich mit Babys nicht aus.“
Sie stellte die kleine Wanne vor den Kamin, füllte sie zur Hälfte mit Wasser
und stellte den Krug daneben. „Wahrscheinlich hat sie einfach nur Hunger.“
„Hunger?
“, wiederholte Harry. „Aber sie hat doch erst vor ein, zwei Stunden etwas
bekommen!“
Die
Bedienstete warf ihm einen mitleidigen Blick zu. „Das ist ein Baby.“
Harry kam
sich wie ein Dummkopf vor. Kleine heranwachsende Geschöpfe brauchten ständig
Nahrung. Er kannte das von Welpen und Fohlen, warum hatte er bloß bei Torie
nicht daran gedacht? „Milch“, sagte er. „Bringen Sie bitte Milch für sie,
jetzt gleich.“
Die junge
Frau grinste und verschwand.
Harry rieb
Torie tröstend den Rücken. Sie brüllte weiter. „Das Abendessen kommt gleich, es
dauert bestimmt nicht lange“, tröstete er sie.
Die
Bedienstete brachte die Milch in einem merkwürdig geformten Porzellangefäß,
das oben ein Loch hatte und vorn eine lange Tülle mit kleinen Löchern an ihrem
Ende. Das Gefäß war warm.
„Sie haben
Glück, dass die Köchin das noch hatte“, sagte sie. „Jemand hat es hier vor
ein paar Wochen vergessen.“
Er nahm das
Gefäß und führte die Tülle behutsam an Tories Lippen.
Nichts. Sie
brüllte noch lauter als vorher.
„Es geht am
besten, wenn Sie sitzen“, empfahl die Frau.
Er setzte
sich auf das Bett, legte sich Torie in den Arm und wiegte sie beruhigend.
Wieder versuchte er es mit der Tülle.
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