Anne Gracie
brachte es noch nicht über sich, Tone längere Zeit aus den Augen zu lassen.
„Es ist nichts, schlaf weiter.“ Er legte sich hin und zog sie in seinen
Arm. Ihr fielen die Augen wieder zu.
Nach einer
Stunde erwachte sie jedoch erneut und merkte, dass er immer noch wach war und
sie betrachtete.
„Was hast
du, Harry?“, flüsterte sie.
Er schwieg.
Erst drohte der Schlaf sie wieder zu überwältigen, aber dann weckte der
Ausdruck seiner Augen sie vollends. Sie legte ihm eine Hand an die Wange. „Du
siehst so grimmig aus. Was ist los?“
Er
antwortete nicht.
Langsam
wurde sie ernsthaft besorgt. „Ist etwas passiert, Harry? Sag es mir! Was immer
es ist, gemeinsam stehen wir es durch.“
„Nichts ist passiert.“
Sie
betrachtete ihn beunruhigt. „Irgendetwas muss dich bedrücken, wenn du nicht
schlafen kannst.“
Er starrte
sie lange Zeit wortlos an und stöhnte dann leise auf. „Ich liebe dich“,
sagte er.
Sie setzte
sich auf. „Was hast du gesagt?“, fragte sie atemlos.
„Ich liebe
dich, Nell.“ Er schlang die Arme um sie und drückte sie so fest, dass sie
beinahe keine Luft mehr bekam. „Ich liebe dich so sehr.“
„Ich dachte
...“
„Ich
glaube, ich habe mich schon am ersten Tag in dich verliebt, damals im Wald,
aber ich glaubte ... ich dachte ...“ Er umarmte sie noch fester. „Ich
konnte es dir damals nicht sagen, du hättest mich für verrückt gehalten.“
„Nein, ich
...“
„Und dann
habe ich dich buchstäblich entführt und dich damit in die Falle gelockt, mich
zu heiraten.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich war so arrogant, so sicher, ich
könnte mein Versprechen halten ... Er schwieg. Sie wusste nicht recht, was in
seinem Kopf vorging, aber sie ließ ihn gewähren. „Und dann haben wir sie nicht
gefunden und ich hatte dich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zu dieser
Ehe überlistet.“
„Nein, ich
...“
„Aber dann
habe ich Torie doch gefunden und alles wieder gutgemacht, deshalb darf ich es
dir jetzt sagen.“
„Was
denn?“ Sie wusste es längst, aber sie hatte sich so lange danach gesehnt,
es von ihm zu hören.
„Dass ich
dich liebe. Dass du mein Ein und Alles, mein Leben bist.“ Er hielt sie
fest an sich gedrückt. „Ich liebe dich, Nell Morant. Verlasse mich
niemals.“
„Niemals“,
flüsterte sie. „Nie mehr, mein Geliebter. Ich liebe dich, Harry Morant. Erst
hast du meinen Körper erobert und dann mein Herz. Ich bin für immer dein, mit
Leib und Seele.“
Anmerkung der Autorin
In Bezug
auf die Findelhäuser habe ich mir ein paar dichterische Freiheiten
herausgenommen. Schon fünfzig Jahre bevor meine Geschichte anfängt, hatte man
damit aufgehört, für die Kinder Andenken an die Mütter aufzubewahren.
Als ich
diese kleinen Andenken jedoch im Findelhaus-Museum gesehen habe, war ich so
gerührt, dass ich nicht widerstehen konnte, sie in meiner Geschichte zu
verwenden. Auch vermute ich, dass ich es für meine Helden leichter gemacht
habe, dem Direktor Informationen zu entlocken, als es wahrscheinlich damals
tatsächlich der Fall war; ich schreibe das jedoch Harrys gebieterischem
Auftreten zu. Ausnahmen sind bekanntlich oft die Regel.
Wenn Sie in
London weilen, ist das Findelhaus-Museum (Foundling Museum) wirklich einen Besuch wert und leicht mit der U-Bahn zu
erreichen. Mehr Informationen dazu auf meiner Website: www.annegracie.com (nur in englischer Sprache).
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