Anne Gracie
...“
Die
Hochzeitsfeier war
schon in vollem Gang, als draußen auf der Terrasse plötzlich ein Tumult
ausbrach. Hufeisen klapperten auf den Pflastersteinen. Die Gäste drehten sich
neugierig zu den Türen um.
Der Earl
zeigte sich wenig beeindruckt und befahl den Bediens teten, die Vorhänge
aufzuziehen. Drei große, dunkle Reiter zeichneten sich vor dem grauen
Nachmittagshimmel ab. Zur Überraschung
aller ließ der Earl trotz der Kälte die Terrassentüren öffnen.
Ein
aufgeregtes Raunen breitete sich aus, denn die Reiter trugen schwarze Masken,
um ihre Gesichter zu verbergen. Der Earl trat offensichtlich
unbesorgt vor. „Wer seid Ihr, und was ist Euer Begehr?“ Der maskierte Mann
in der Mitte erwiderte: „Ich bin der nicht mehr ganz so junge Lochinvar und
gekommen, um die schöne Tibby zu holen.“
Eine Welle
der Erheiterung erfasste die Anwesenden, als Tibby sich durch die Gästeschar
nach vorn schob und den Reiter erstaunt ansah. „Wer, sagten Sie, sind
Sie?“
„Der nicht
mehr ganz so junge Lochinvar“, antwortete er mit weichem irischem Akzent.
„Schöne Tibby, willst du mit mir gehen?“
Ihre Augen
weiteten sich. „Jetzt?“ Sie sah an ihrem dünnen Kleid herab. Vorhin hatte
es noch geschneit.
„Ja,
jetzt.“ Auf sein Handzeichen hin saßen seine beiden Begleiter ab. Er
reichte ihnen ein Bündel und einer der beiden Männer schüttelte es aus. Es war
ein langer, dunkelroter Umhang, der mit Pelz gefüttert war. Er legte ihn um
Tibbys Schultern.
„Es ist nur
Kaninchenfell, aber du wirst trotzdem nicht frieren“, erklärte Lochinvar.
„Kommst du nun, schöne Tibby?“
Sie sah ihn
an. Ihr Herz war so übervoll, dass sie nicht sprechen konnte, daher nickte sie
nur.
Wortlos
hoben die beiden Männer Tibby hoch und setzten sie vor Lochinvar in den Sattel.
Er hatte dort ein Kissen festgebunden.
„Es wird
nicht so unangenehm wie beim letzten Mal“, murmelte er und legte seinen
starken Arm um sie. Tibby war das gleichgültig. Sie wäre mit ihm überallhin
gegangen.
„So lebt
denn wohl“, wandte Lochinvar sich an die Hochzeitsgesellschaft. „Und seid
unbesorgt“, dabei sah er Prinzessin Caroline direkt
an, „die schöne Tibby ist bei mir gut aufgehoben. Ihr seid alle zur Hochzeit eingeladen!“
Damit ritt er mit ihr davon in Richtung Westen.
„Oh
Ethan“, sagte Tibby, als sie wieder sprechen konnte. „Das war
wunderbar!“
„Du
möchtest nicht umkehren?“
Sie
schüttelte den Kopf. Ein paar Schneeflocken schwebten herab.
„Ich habe
in der nächsten Stadt in einem Gasthaus zwei Zimmer reservieren lassen“,
teilte er ihr mit. „Wenn du möchtest, kann ich eine Bedienstete als
Anstandsdame einstellen.“
Sie drehte
sich zu ihm um und sah ihn an. „Keine Anstandsdame“, entschied sie.
Er lächelte
und legte den Arm fester um sie. Schweigend ritten sie weiter in die
anbrechende Dunkelheit.
„Ethan,
bist du ein reicher Mann?“, fragte Tibby nach einer Weile.
Seine
weißen Zähne blitzten auf. „Nein, Liebling, das bin ich nicht. Spielt das eine
Rolle?“
„Oh ja“,
erwiderte sie. „Eine sehr große sogar.“
Er sah sie
leicht verwirrt an. „Ach, ja?“
Sie nickte
ernsthaft. „Wenn du nicht reich bist, dann ändert das natürlich alles.“
„Wie bitte?
Aber du wusstest doch ...“
Tibby
redete einfach weiter. „Dann können wir es uns nicht leisten, Geld für ein
zweites Zimmer zu verschwenden. Eins sollte völlig ausreichen für uns
beide.“
Es war
Weihnachten. Nell
wachte mitten in der Nacht auf und stellte fest, dass Harry ebenfalls wach war.
Er hatte sich auf einen Ellenbogen gestützt und betrachtete sie.
„Was
ist?“, fragte sie und setzte sich auf. „Ist etwas mit Torie?“
„Nein,
nein, sie schläft ganz fest in ihrer Wiege dort“, beschwichtigte er sie.
Nell
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