Anne Gracie
er.
Sie
beobachtete ihn eingehend. Sie hatte tatsächlich bernsteinfarbene Augen. Sie
kommt ganz nach Nell, dachte er. Torie war die Tochter ihrer Mutter,
unübersehbar.
Evans war
noch nicht zurück, also wickelte er sie in sein sauberes, trockenes Handtuch
und zog darüber einen Kissenbezug.
„So, und
nun schlaf schön, Liebchen“, wünschte er ihr und richtete sich auf. Sie
holte tief Luft, ihr Gesicht lief rot an und ... „Bitte, fang nicht wieder
an!“, flehte er. Sie sah ihn unglücklich an und ihre kleine Unterlippe
bebte. „Das ist Erpressung!“, sagte Harry streng.
Sie öffnete
den Mund. Seufzend nahm er sie auf den Arm. Sofort beruhigte sie sich.
„Diese
schreckliche Frau hat behauptet, du wärst eine wohlerzogene junge Dame“,
hielt er ihr vor. „Das waren natürlich nicht exakt ihre Worte, aber vom Inhalt
her stimmt es. Wie soll ich deiner Mutter also erklären, dass du dir schlechte
Manieren angewöhnt hast, während du weg warst?“
Sie seufzte
und beobachtete ihn mit großen Augen. Nells Augen.
Er wiegte
sie hin und her. „Deine Mutter wird überglücklich sein, dich wiederzusehen.
Deinetwegen ist ihr das Herz gebrochen, kleine Torie, und jetzt verstehe ich
auch warum. Also wird das morgen ein großer Tag und daher brauchst du jetzt
viel Schlaf.“
Er legte
sie zurück auf das Bett in ihr Nestchen aus Kissen. Sie fing auf der Stelle an
zu weinen. Er hob sie hoch – und sie hörte auf.
„Also gut,
ich halte dich im Arm, bis du einschläfst.“ Sie passte genau in seine
Armbeuge. „Schlafen, verstanden, junge Dame? Das ist ein Befehl!“
Sie sah ihn
ruhig an und fuchtelte mit einer kleinen Faust. Ihm war nie bewusst gewesen,
was für ein Wunderwerk eine Babyhand war: fünf Fingerchen, jeder davon mit
einem vollkommenen, winzigen Fingernagel. Ihre Faust war wie eine kleine
geschlossene Blüte, die jederzeit aufblühen konnte. Er streichelte mit dem Zeigefinger
darüber und staunte, wie groß und plump er im Vergleich dazu wirkte.
Sie öffnete
die winzige Faust und fünf unglaublich kleine Finger schlossen sich fest um
seinen Zeigefinger. Sie seufzte, die langen Wimpern flatterten ein wenig und dann
schlief sie ein, ohne seinen Finger loszulassen.
Ihm schwoll
das Herz in der Brust.
Dieses
kleine Stückchen Mensch klammerte sich an seinen Zeigefinger, ganz
selbstverständlich und besitzergreifend. In dem Moment verlor er endgültig
sein Herz an sie. Torie gehörte zu ihm. Oder eher, er gehörte zu Torie. Ein
Leben lang.
Er hatte
eine Tochter.
Evans kam
eine knappe Stunde später und sah Harry auf dem Bett sitzen. „Es tut mir leid,
Sir, ich habe nur ein paar Windeln auftreiben können.“
„Haben Sie
nichts für sie zum Anziehen gefunden? Sie hat gar nichts mehr. Die alten Tücher
habe ich weggegeben, sie müssen verbrannt werden.“
„Ich lasse
mir schon etwas einfallen, Sir“, versprach Evans. „Wünschen Sie
vielleicht, dass ich Ihr Hemd wasche, während ich nachdenke? Ihren Umhang nehme
ich auch mit. Er ist ziemlich ruiniert, aber Sie brauchen ihn für die
Heimreise, also werde ich versuchen, ihn wenigstens wieder etwas ansehnlicher
zu machen.“ Harry starrte ihn an. „Evans, welche Aufgabe hatten Sie bei
Sir Irwin?“
„Ich war
sein Kammerdiener, Sir.“
Harry
schmunzelte. „Ausgezeichnet. Wenn das so ist, dürfen Sie mein Hemd und meinen
Umhang gern mitnehmen. Ich brauche schon. seit einiger Zeit einen
Kammerdiener.“
„Vielen
Dank, Sir, Sie werden es nicht bereuen.“
„Ich bin
aber kein eitler Stutzer“, warnte sein neuer Herr ihn. Evans unterdrückte
ein Lächeln. „Das ist mir klar, Sir.“
„Ach so,
noch etwas“, meinte Harry. „Da drüben steht eine Pastete, die langsam kalt
wird.“
„Vielen
Dank, Sir.“ Evans nahm den Deckel von der Schüssel und sah,
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