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Anne in Kingsport

Titel: Anne in Kingsport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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zu einer riesigen Pompadourfrisur gekämmt, ohne ihre früher üblichen blauen Schleifen. Aber die vielen Sommersprossen und die Stupsnase waren ihr geblieben und auch ihr breites Lächeln.
    »Sie finden doch auch nicht, dass ich einen Yankee-Akzent habe, oder, Miss Shirley?«
    »Nicht, dass ich wüsste, Charlotta.«
    »Da bin ich aber froh. Meine Leute zu Hause haben das nämlich behauptet, aber ich dachte mir gleich, dass sie mich bloß ärgern wollten. Ich will nämlich keinen Yankee-Akzent haben. Nicht, dass ich etwas gegen die Yankees hätte. Sie haben wirklich Kultur. Aber ich würde sie jederzeit gegen die Leute von der Insel hier eintauschen.«
    Paul verbrachte die ersten beiden Wochen bei Großmutter Irving in Avonlea.
    Anne war dort, als er eintraf. Er war ganz versessen darauf, ans Meer zu gehen - Nora und die Goldene Frau und die Zwillingssegler warteten dort auf ihn. Er konnte kaum bis nach dem Essen abwarten.
    Aber in der Dämmerung kam Paul ganz ernüchtert vom Meer wieder.
    »Waren deine Felsen-Menschen nicht da?«, fragte Anne.
    Paul schüttelte traurig seinen kastanienbraunen Lockenkopf.
    »Die Zwillingssegler und die Goldene Frau haben sich überhaupt nicht blicken lassen«, sagte er. »Nora war zwar da -aber sie ist auch nicht mehr wie früher. Sie hat sich verändert.«
    »Tja, Paul, du hast dich verändert«, sagte Anne. »Du bist aus dem Felsen-Menschen-Alter herausgewachsen. Ich fürchte, die Zwillingssegler mit ihrem perlfarbenem Zauberboot werden auch nicht mehr aufkreuzen. Und die Goldene Frau wird dir nie mehr auf der Harfe Vorspielen. Auch Nora wird dich nicht mehr lange besuchen kommen. Das ist der Fluch des Älterwerdens, Paul. Du wirst das Zauberland hinter dir lassen.«
    »Ihr redet noch genauso viel dummes Zeug wie früher«, sagte Mrs Irving halb nachsichtig, halb tadelnd.
    »O nein, es ist kein dummes Zeug«, sagte Anne und schüttelte ernst den Kopf. »Wir werden immer vernünftiger, das ist das Elend. Das Leben ist nicht mehr halb so faszinierend, wenn unsere Sprache erst so weit verarmt ist, dass wir unsere Gedanken verbergen können.«
    »Aber sie ist nicht... sie ist dazu da, um Gedanken auszutauschen«, sagte Mrs Irving ernst.
    Anne verbrachte zwei Wochen der goldenen ersten Augusthälfte in Echo Lodge.
    »Es war herrlich«, sagte Anne. »Ich habe mich großartig erholt. Jetzt sind es nur noch vierzehn Tage, bis ich wieder in Kingsport und in Pattys Haus bin. Es ist das wunderschönste Haus der Welt, Miss Lavendar. Es ist, als hätte ich jetzt zwei Zuhause - Green Gables und Pattys Haus. Aber wo ist der Sommer hin? Es kommt mir vor wie gestern, dass ich mit dem Heidestrauß zu Hause ankam. Früher konnte ich es kaum abwarten, dass die Zeit verging.«
    »Bist du noch mit Gilbert Blythe befreundet, Anne?«, fragte Miss Lavendar ruhig.
    »Ja.«
    Miss Lavendar schüttelte den Kopf.
    »Es stimmt doch etwas nicht, Anne. Ich bin so unverschämt und frage dich, was. Habt ihr euch gestritten?«
    »Nein. Gilbert will nur mehr als bloße Freundschaft und das will ich nicht.«
    »Bist du dir da ganz sicher, Anne?«
    »Ganz sicher.«
    »Das tut mir sehr, sehr Leid.«
    »Warum denkt nur alle Welt, ich wollte Gilbert Blythe heiraten?«, sagte Anne gereizt.
    »Weil ihr füreinander wie geschaffen seid - darum. Du brauchst gar nicht den Kopf zu schütteln. Es ist eine Tatsache.«

24 - Jonas erscheint auf der Bildfläche
    »Prospect Point 
    20. August
    Liebe Anne«, schrieb Phil, »ich muss krampfhaft meine Augen offen halten, um dir noch zu schreiben. Du bist den Sommer über etwas zu kurz gekommen, Herzchen, aber allen anderen ist es ebenso ergangen. Hier türmt sich ein Riesenstapel Briefe, die auf Antwort warten, also muss ich mich sputen und mich dahinter klemmen. Ich bin todmüde. Gestern Abend war ich zusammen mit Kusine Emily bei den Nachbarn. Es waren noch mehr Gäste da, und kaum dass diese armen Geschöpfe fort waren, sind unsere Gastgeberin und ihre drei Töchter über sie hergefallen. Emily und mich haben sie garantiert genauso zerpflückt, kaum dass wir wieder draußen waren. Als wir zu Hause ankamen, verkündete dann Mrs Lilly, dass der Bursche der besagten Nachbarn Scharlach hätte. Mrs Lilly hat einem immer solche netten Nachrichten zu vermelden. Ich habe eine panische Angst vor Scharlach. Ich konnte nicht einschlafen, weil ich dauernd daran denken musste. Ich habe mich hin und her gewälzt und grauenvolle Träume gehabt. Um drei Uhr bin ich mit hohem Fieber, Halsschmerzen

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