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Anne Rice - Pandora

Anne Rice - Pandora

Titel: Anne Rice - Pandora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pandora
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Tyrus; sie waren als Sklaven geboren. Griechisch und Latein konnten sie gut, und auch Aramäisch sprachen sie. In ihrer Anmut glichen sie zwei Engeln.
    Ihre Hände waren makellos. Sie besaßen alle erforder-lichen Fähigkeiten. Sie konnten Haare frisieren, Gesichter schminken, Essen kochen. Sie rasselten Rezepte für diverse orientalische Gerichte herunter, von denen ich noch nie gehört hatte; sie kannten die verschiedensten Pomaden und Rougetöne. Die eine errötete vor Ehrfurcht, als sie zu mir sagte: »Herrin, ich kann Euer Gesicht zurechtmachen, blitzschnell und perfekt.«
    Ich wusste, was das hieß, hatte ich diese Angelegenheit doch ziemlich verpfuscht.
    Ich wusste aber auch, dass sie, da sie aus einem kleinen Haushalt kamen, bei weitem flexibler waren als unsere Sklaven zu Hause.
    Ich kaufte sie beide, ein Geschenk der Götter für sie.
    Von dem Händler forderte ich zwei saubere Tuniken von anständiger Länge und erhielt sie auch, sie waren aus blauem, wenn auch nicht erstklassigem Leinen. Dann fand ich einen fliegenden Händler mit einem Arm voller Umhänge und kaufte beiden Schwestern eine blaue Palla. Das machte sie vollends glücklich, denn sie waren anständige Mädchen und wollten nicht mit unbedecktem Kopf gehen.
    Ich vertraute ihnen sofort. Sie wären für mich gestorben.
    Mir kam gar nicht in den Sinn, dass sie fast vor Hunger vergingen, während ich noch nach weiteren Sklaven Ausschau hielt, bis ich hörte, wie ein niederträchtiger Händler einem aufsässigen, gebildeten Griechen drohte, er werde ihm nichts zu essen geben, ehe er ihn nicht verkauft habe.
    »Oh, Schreck«, sagte ich, »ihr beiden habt vermutlich Hunger. Geht in die Garküche auf dem Forum. Seht mal die Straße hinunter, da, wo die Bänke und Tische aufgestellt sind.«
    »Allein?«, fragten sie entsetzt.
    »Hört zu, Mädchen, ich habe keine Zeit, euch wie Vögel aus der Hand zu füttern. Schaut keinem Mann ins Gesicht, esst und trinkt, was ihr wollt.« Ich gab ihnen eine anscheinend erschreckend hohe Summe Geldes. »Und bleibt in der Garküche, bis ich euch hole. Wenn euch ein Mann anspricht, tut so, als hättet ihr große Angst, senkt den Kopf und gebt ihm, so gut ihr könnt, zu verstehen, dass ihr seine Sprache nicht beherrscht. Wenn es allzu schlimm kommt, flüchtet euch in den Isis-Tempel.«
    Sie rannten die schmale Straße hinunter, ihrem Festmahl entgegen; dabei bauschten sich ihre Mäntel in der leichten Brise wie Ballons, in einem so schönen Blau, dass ich es heute noch vor mir sehe, wie es in der dichten, schwitzenden Menschenmenge unter dem Gewirr von Sonnensegeln gleich einem Stück Himmel aufblitzte.
    Mia und Pia. Nicht schwer zu merken, aber ich konnte die beiden nicht auseinander halten.
    Erstaunt vernahm ich ein leises, verächtliches Lachen.
    Es kam von dem griechischen Sklaven, dem sein Besitzer gerade den Hungertod angedroht hatte.

    Er sagte zu dem Händler: »Na gut, lasst mich verhungern. Und was wirst du dann zu verkaufen haben? Einen kranken, dahinsiechenden Mann an Stelle eines großen, außergewöhnlichen Gelehrten.«
    »Großer, außergewöhnlicher Gelehrter!«
    Ich drehte mich um und betrachtete den Mann. Er saß auf einem Hocker und machte keine Anstalten, meinetwegen aufzustehen. Er trug nichts als ein schmuddeliges Lendentuch, was auf die Dummheit des Händlers schlie-
    ßen ließ; aber immerhin enthüllte diese Nachlässigkeit, dass der Sklave ein ausnehmend gut gebauter Mann war, mit einem schönen Gesicht, mandelförmigen grünen Augen, weichem braunem Haar und einem sarkastischen Zug um den hübschen Mund. Der Mann mochte dreißig sein, vielleicht etwas jünger. Er war seinem Alter entsprechend gut in Form, hatte kräftige Muskeln, wie die Griechen es schätzten.
    Sein Haar war schmutzig und ungleichmäßig geschnitten, um seinen Hals hing an einem Strick eine kleine Tafel, die primitivste, die mir je vorgekommen war; sie war mit winzigen, zusammengedrängten Buchstaben in latei-nischer Sprache bedeckt.
    Während ich wieder die Palla hochzog, trat ich, leicht belustigt über seinen kühnen Blick, nahe an diese prächtige nackte Brust heran, um zu lesen, was da alles stand.
    Es schien, als hätte er jede philosophische Richtung, jede Sprache und jede Rechenart lehren können; er konnte singen, kannte jeden Dichter, konnte ganze Gastmähler arrangieren, hatte Geduld mit Kindern, war im Gefolge seines römischen Herrn als Soldat auf dem Balkan gewesen und konnte als bewaffnete Wache auftreten; er

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