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Anne Rice - Pandora

Anne Rice - Pandora

Titel: Anne Rice - Pandora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pandora
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hört man über den Tod des Germanicus? Was geht in der Stadt vor sich?«
    Der Mann war so dankbar für den Wein. Die Arbeit hatte ihn altern lassen. Seine Arme waren mager. Seine Hände zitterten.
    »Herrin, ich danke Euch«, sagte er. Als könnte er nicht aufhören, trank er den Becher in einem Zug leer. »Unser Germanicus wurde auf dem Marktplatz öffentlich aufge-bahrt, damit ihn alle sehen konnten. Wie schön er aussah! Manche haben ihn mit dem großen Alexander verglichen. Die Leute waren sich nicht sicher. Ist er nun vergiftet worden oder nicht? Einige meinten Ja, andere Nein.
    Seine Soldaten hatten ihn geliebt. Gouverneur Piso ist, den Göttern sei Dank, fort und wagt sich auch nicht wieder hierher. Germanicus’ Gattin, die edle Agrippina, trägt seine Asche in einer Urne an ihrem Busen. Sie hat sich per Schiff nach Rom aufgemacht, verlangt nach dem ge-rechten Lohn für Germanicus.«
    Er reichte mir den Becher. »Ich danke untertänigst.«
    »Die Stadt ist wieder normal?«
    »O ja, was könnte diese großartige Handelsstadt aufhalten?«, erklärte er. »Die Geschäfte gehen wie immer.
    Die getreuen Soldaten des Germanicus sorgen für Frieden, warten darauf, dass Recht geschieht. Sie wollen den Mordbuben Piso nicht zurückkehren lassen, und Sentius sammelt alle um sich, die unter Germanicus gedient haben. Die Stadt ist glücklich. Man hat für Germanicus eine Flamme entzündet. Wenn es Krieg gibt, dann nicht hier. Macht Euch keine Sorgen.«
    »Danke, du hast mir wunderbar geholfen.«
    Ich nahm den Becher, verriegelte das Tor, schloss auch die Tür hinter mir und legte los.
    Ein Stück Brot in der Hand, an dem ich knabberte, um wieder zu Kräften zu kommen, und laut die lebensklugen Worte des Lukrez vor mich hin murmelnd, machte ich einen Rundgang durch das Haus. Ich fand ein großes, luxuriöses Bad auf der rechten Seite des Innenhofs. Von Licht durchflutet. Aus Muscheln, die in den Händen steinerner Nymphen ruhten, ergoss sich ein stetiger Strom Wasser in ein gipsernes Becken. Das Wasser hatte gerade die richtige Temperatur, es musste nicht erwärmt werden.
    Im Schlafzimmer fand ich meine Kleider.
    Römische Gewänder waren einfach, wie du weißt, lange Tuniken, von denen man zwei oder drei übereinander trug, dazu ein Überwurf, die Stola, für draußen und schließlich die Palla, ein großer Umhang, der bis zu den Knöcheln ging und unter der Brust gegürtet wurde.
    Ich wählte zwei spinnwebfeine Seidentuniken, die ich übereinander drapierte, und dann eine leuchtend rote Stola, die mich von Kopf bis Fuß einhüllte. Noch nie in meinem ganzen Leben hatte ich meine Sandalen eigenhändig anziehen müssen. Das war urkomisch und lästig!
    All meine Toilettenartikel waren auf Tischen mit glän-zenden Metallspiegeln verteilt. Welch ein Durcheinander!
    Ich setzte mich auf einen der vergoldeten Stühle, zog den Spiegel nah heran und versuchte mit der Schminke zu arbeiten, wie es meine Sklavinnen immer getan hatten.
    Es gelang mir, meine Brauen dunkel zu färben, aber mein Widerwille gegen die geschminkten ägyptischen Augen hielt mich von weiterem ab. Ich trug Rouge auf die Lippen auf und stäubte mir weißen Puder ins Gesicht, doch das war’s dann. Ich machte gar nicht erst den Versuch, mir die Arme zu pudern, wie man es in Rom nor-malerweise gemacht hätte.
    Ich wusste nicht, wie ich aussah. Nun musste ich noch das verflixte Haar flechten, und ich schaffte es und steckte die Zöpfe im Nacken zu einem großen Knoten zusammen. Ich glaube, mein Verbrauch an Haarnadeln hätte für zwanzig Frauen ausgereicht. Ich zupfte noch ein paar lose Löckchen auf Stirn und Wangen und betrachtete mich dann im Spiegel. Ich sah eine römische Frau mit in der Mitte gescheiteltem Haar, geschwärzten Brauen und rosigen Lippen, sittsam und annehmbar, fand ich.
    Das Unangenehmste dabei war, diese ganzen Stoff-bahnen zusammenzuraffen. Ich versuchte, alles auf eine Länge zu bekommen, die Seidenstola glatt zu streichen, und gürtete sie dann eng unter dem Busen. Also wirklich, all dieses Falten und Raffen und Befestigen! Ich hatte immer Sklavinnen um mich gehabt. Als ich endlich mit zwei Untertuniken und der langen, hübschen roten Stola ausgestattet war, schnappte ich mir noch eine seidene Palla, eine sehr weite mit Fransen und goldenen Verzierungen.
    Ich legte Ringe und Armbänder an. Doch ich wollte so viel wie möglich unter der Palla verstecken. Ich konnte mich erinnern, dass mein Vater an jedem Tag seines Lebens darüber geflucht

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