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Anne Rice - Pandora

Anne Rice - Pandora

Titel: Anne Rice - Pandora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pandora
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gar nichts davon. Tribun, ist Euch eigentlich bekannt, dass die Palastwachen mehr als doppelt so viel Sold bekommen wie die Legionäre?
    Und nun gibt es bei ihnen auch noch die delatores, die geradezu angespornt werden, Anklage zu erheben, weil sie von dem Besitz des Verurteilten ein Drittel für sich einbehalten können!«
    Als der Legat meinen Bruder nun abschätzend musterte, kam jeder Makel an Lucius deutlich zum Vorschein: seine feige Haltung, seine zitternden Hände, die Augen, die unsicher hin und her huschten, und seine zusam-mengepressten Lippen, in denen sich seine wachsende Verzweiflung zeigte.
    Ich wandte mich an Lucius.
    »Wer du auch bist, du Wahnsinniger, ist dir eigentlich klar, was du von diesem altgedienten, erfahrenen römischen Offizier verlangst? Was, wenn er deinen kranken Lügen Glauben schenkte? Was würde aus ihm werden, wenn ein Brief aus Rom käme, der nach meinem Verbleib und meinem Vermögen fragt!«
    »Herr, diese Frau ist eine Verräterin!«, schrie Lucius.
    »Ich schwöre bei meiner Ehre –«
    »Was für eine Ehre ist das?«, murmelte der Soldat.
    Seine Augen waren fest auf Lucius geheftet.
    »Wenn es in Rom möglich wäre«, sagte ich, »dass man Familien, die so alt wie die meine sind, ganz einfach verschwinden lassen könnte, wie dieser Mann es nun für meine Person von Euch verlangt, wie könnte dann Germanicus’ Witwe es wagen, vor den Senat zu treten und ein Gerichtsverfahren zu fordern?«
    »Man hat sie alle exekutiert«, sagte mein Bruder, der sich von seiner schlimmsten Seite zeigte und es todernst meinte; außerdem schien er jedes Gespür für die Wirkung seiner Worte verloren zu haben. »Alle, wie sie da waren, weil sie zu einer verschwörerischen Bande gehörten, die Tiberius ermorden wollte, und ich bekam freies Geleit und durfte ausreisen, weil ich sie, wie es meine Pflicht war, den delatores gemeldet habe und Sejanus, mit dem ich persönlich gesprochen habe!«
    Die in diesen Worten enthaltenen Möglichkeiten drangen langsam in das Bewusstsein des Legaten.
    »Mein Herr«, sagte ich zu Lucius, »habt Ihr sonst noch Papiere zu Eurer Person, um Euch auszuweisen?«
    »Ich brauche sonst nichts!«, sagte Lucius. »Dein Schicksal ist der Tod.«
    »So wie es auch das Schicksal Eures Vaters war?«, fragte der Legat. »Und das Eurer Gattin? Hattet Ihr Kinder?«
    »Werft sie noch diese Nacht ins Gefängnis, und dann berichtet nach Rom!«, verlangte Lucius. »Ihr werdet sehen, dass ich die Wahrheit sage!«
    »Und du, wer du auch bist, wo wirst du derweil sein?
    Mein Haus plündern?«
    »Du Luder!«, schrie Lucius. »Seht Ihr denn nicht, dass dies alles nur weibliche Tricks und üble Ablenkungsma-növer sind?«
    Entsetzen breitete sich unter den Soldaten aus, und das Gesicht des Legaten zeigte Abscheu. Flavius schob sich neben mich.
    »Herr«, sagte Flavius bescheiden und würdevoll, »was darf ich unternehmen, um meine Herrin vor diesem Wahnsinnigen zu beschützen?«
    »Wage es ja nicht«, sagte ich in bestimmtem Ton zu Lucius, »solche Worte noch einmal in den Mund zu nehmen, sonst verliere ich die Geduld.«
    Der Legat griff nach Lucius’ Arm. Der fasste mit seiner Rechten nach seinem Dolch.
    »Wer seid Ihr überhaupt?«, wollte der Legat wissen.
    »Gehört Ihr zu den delatores? Ihr erklärt mir, Ihr hättet Euch gegen die eigene Familie gestellt.«
    »Tribun«, sagte ich und berührte leicht seinen Arm.
    »Meines Vaters Wurzeln reichen bis in die Zeit von Romulus und Remus zurück. Unser Ursprung liegt in Rom und nirgends sonst. Das galt auch für meine Mutter, die ebenfalls die Tochter eines Senators war. Dieser Mann da sagt ziemlich … schreckliche Dinge.«
    »Das scheint mir auch«, stimmte der Legat zu, als er Lucius mit zusammengekniffenen Augen musterte. »Wo sind Eure Freunde hier, Eure Gefährten, wo lebt Ihr?«
    »Ihr könnt mir nichts anhaben!«, sagte Lucius.
    Der Legat starrte wütend auf Lucius’ Hand, die an dem Dolch lag.
    »Ihr wollt den gegen mich ziehen?«, fragte er.
    Lucius war ganz offensichtlich in Verlegenheit.
    »Warum bist du nach Antiochia gekommen?«, wollte ich von ihm wissen. »Hattest du etwa das Gift in Verwah-rung, das Germanicus getötet hat?«
    »Sperrt sie ein!«, schrie Lucius.
    »Nein, das glaube selbst ich nicht. Nicht einmal Sejanus würde eine solche Treulosigkeit den Händen eines so erbärmlichen Schurken überlassen, wie du es bist!
    Nun komm schon, was hast du sonst noch bei dir, das dich mit jener Familie verbindet? Dieser

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