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Anne Rice - Pandora

Anne Rice - Pandora

Titel: Anne Rice - Pandora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pandora
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Geleitbrief, er stammt aus der Feder des Sejanus, sagst du?«
    Lucius war völlig verblüfft.
    »Ich besitze auf jeden Fall nichts, was mich mit deinen wilden, blutigen Geschichten in Verbindung bringt«, sagte ich.
    Der Legat unterbrach mich. »Nichts, das Euch mit diesem Namen in Verbindung bringt?« Er nahm mir den Geleitbrief aus der Hand.
    »Ganz und gar nichts«, versicherte ich, »da ist nichts, nur dieser Wahnsinnige, der Gräuelmärchen verbreitet und versucht, der Welt weiszumachen, dass unser Kaiser seinen Verstand verloren hat. Nur er bringt mich mit dieser blutigen Verschwörung in Verbindung, ohne einen Zeugen oder Beweis, und schleudert Beleidigungen gegen mich.«
    Der Legat rollte den Brief auf. »Und zu welchem Zweck seid Ihr hier, meine Dame?«
    »Um in Ruhe und Frieden zu leben«, sagte ich leise.
    »Um in Sicherheit und unter dem Schutz des römischen Rechts zu leben.«
    Jetzt wusste ich, die Schlacht war gewonnen. Doch etwas fehlte noch, um den Sieg zu besiegeln. Ich entschloss mich zu einem weiteren Schachzug.
    Langsam griff ich nach meinem Dolch, und ebenso langsam zog ich ihn aus seiner Schlinge.
    Lucius sprang hastig zurück. Er zog seinen Dolch und stürzte sich auf mich. Der Legat und mindestens zwei seiner Soldaten durchbohrten ihn, ohne zu zögern.
    Blutend hing er auf ihren Waffen, seine Blicke irrten von rechts nach links, und dann wollte er sprechen, aber in seinem Mund war zu viel Blut. Er riss die Augen auf, nochmals schien es, als würde er sprechen. Aber sein Körper sackte auf dem Pflaster, am Fuß der Treppe, zusammen, als die Soldaten ihre Dolche herauszogen.
    Meinen Bruder Lucius hatte gnädigerweise der Tod ereilt. Ich blickte auf ihn nieder und schüttelte den Kopf.
    Der Legat sah mich an. Dies war ein bedeutungsvoller Augenblick, und ich war mir dessen bewusst.
    »Was«, fragte ich ihn, »unterscheidet uns von den zot-telhaarigen Barbaren des Nordens? Ist es nicht das Gesetz? Das geschriebene Gesetz? Das uns überlieferte Gesetz? Ist es nicht Gerechtigkeit? Dass Männer und Frauen für ihr Tun zur Rechenschaft gezogen werden?«
    »Ja, Herrin«, bestätigte er.
    »Wisst Ihr«, sagte ich ehrfurchtsvoll, während ich auf dieses Bündel aus Fleisch und Blut und Kleidern hinab-sah, das dort auf den Steinen lag, »ich habe unseren großen Kaiser Augustus auf seinem Sterbebett gesehen.«
    »Ihr habt ihn wahrhaftig gesehen?«
    Ich nickte. »Als man sicher war, dass er im Sterben lag, wurden wir eilends zu ihm gebracht, zusammen mit einigen anderen engen Freunden. Er hoffte, er könnte die in Rom umgehenden Gerüchte niederschlagen, die zu Unruhen führen würden. Er hatte nach einem Spiegel geschickt und sein Haar gekämmt. Man hatte ihn in ganz förmlicher Haltung in seinen Kissen aufgerichtet. Und als wir in den Raum kamen, fragte er uns, ob wir nicht auch fänden, dass er seine Rolle in der Komödie des Lebens gut gespielt habe?
    Ich dachte damals, welch ein Mut! Und dann machte er einen weiteren Scherz, er sprach die altbekannten Zeilen, die am Ende eines Schauspiels vorgetragen werden: Wenn froh ich euch gemacht, zeigt mir im Geh’n den Dank dafür mit einem herzlichen Auf Wiederseh’n.

    Ich könnte euch noch mehr erzählen, aber –«
    »Oh, ich bitte darum«, sagte der Legat.
    »Ja, warum nicht?«, meinte ich. »Man hat mir erzählt, was der Kaiser über Tiberius, seinen erwählten Nachfolger, sagte: ›Armes Rom, nun wirst du langsam von diesen schwerfälligen Kiefern zermalmt werden.«
    Der Legat lächelte. »Aber es gab sonst niemanden«, sagte er leise.
    »Tribun, ich danke Euch für all Eure Hilfe. Erlaubt mir, dass ich aus meiner Börse beisteuere, um Euch und Euren Soldaten ein gutes Mahl zu verschaffen –«
    »Nein, meine Dame, ich will nicht, dass von mir oder einem meiner Männer gesagt wird, wir hätten uns beste-chen lassen. Nun zu diesem Toten. Wisst Ihr noch irgendetwas über ihn?«
    »Nur dies eine, Tribun, dass sein Körper wohl in den Fluss gehört.«
    Die Soldaten lachten untereinander.
    »Gute Nacht, edle Dame«, sagte ihr Anführer.
    Und so ging ich fort, durchquerte im Kreis der Fackelträger die Schwärze des Forums, meinen lieben, einbei-nigen Flavius an meiner Seite.
    Jetzt erst begann ich am ganzen Körper zu zittern. Jetzt erst brach mir der Schweiß aus allen Poren.
    Als wir tief in das dichte Dunkel einer kleinen Gasse eingetaucht waren, sagte ich: »Flavius, schick die Fackelträger fort. Sie müssen nicht wissen, wohin wir gehen.«
    »Herrin,

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