Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anne Rice - Pandora

Anne Rice - Pandora

Titel: Anne Rice - Pandora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pandora
Vom Netzwerk:
Zeit fühle ich mich sicher.«

    »Wirklich?«, fragte der eine Junge.
    »Oh, kommt her, ihr beiden, legt euch zu mir. Steckt eure Köpfe unter ein paar Kissen, damit er mich zuerst sieht. Er kennt mich gut. Die Blätter, die ich mitgebracht habe, wo sind sie? Ach ja, da auf dem Pult, nun, sie werden erklären, warum ich gekommen bin. Es hat sich alles geändert. Man verlangt etwas von mir. Ich habe keine Wahl. Es gibt keinen Weg zurück. Marius wird das verstehen. Ich bin ihm zu meinem eigenen Schutz so nahe wie möglich gerückt.«
    Ich legte meinen Kopf auf die kleine Delle in dem Kissen, wo er gelegen hatte. Ich holte tief Luft. »Die Brise ist wie Musik hier«, flüsterte ich. »Hört ihr es?«
    Dann fiel ich erschöpft in den tiefen Schlaf, den ich mir so lange sowohl tagsüber als auch nachts versagt hatte.
    Es waren wohl Stunden vergangen.
    Ich erwachte mit einem Ruck. Der Himmel hatte sich purpurn gefärbt. Die beiden Sklavenjungen lagen zusammengerollt neben dem Ruhebett wie erschreckte kleine Tiere.
    Ich hörte dieses Geräusch wieder, diesen Klang, ganz deutlich ein Pulsschlag. Ich dachte seltsamerweise an etwas, das ich als Kind zu tun pflegte: Ich legte manchmal mein Ohr an die Brust meines Vaters, und wenn ich seinen Herzschlag hörte, küsste ich die Stelle. Das hatte ihn immer sehr glücklich gemacht.
    Ich stand auf in dem Bewusstsein, dass ich zwar noch nicht ganz wach war, aber auch sicher nicht träumte. Ich befand mich in der schönen Villa von Marius in Antiochia.
    Die mit Marmor ausgelegten Räume gingen alle ineinander über.
    Ich ging zu dem letzten, dem Raum, der ganz in Stein eingelassen war. Die Türen waren unglaublich schwer.
    Doch plötzlich öffneten sie sich lautlos, als hätte sie jemand von innen aufgestoßen.
    Ich trat in eine fest gefügte Kammer. Vor mir sah ich zwei weitere Türen, ebenfalls aus Stein. Sie mussten zu einer Treppe führen, denn das Haus endete hier.
    Auch diese Türen sprangen plötzlich auf, als hätte sich eine Feder gelöst.
    Von unten schien Licht herauf.
    Eine Treppe führte von der Türschwelle in die Tiefe. Sie bestand aus weißem Marmor und war ganz neu, noch ohne Fußspuren. So glatt jede Stufe, so unberührt.
    Eine Reihe sanfter Flammen brannte dort unten und schickte ihre grotesken Schatten durch den Treppenschacht nach oben.
    Der seltsame Klang schien nun lauter. Ich schloss die Augen. Oh, dass doch die ganze Welt aus diesen glän-zenden Räumen bestünde und alles, was existiert, seine Erklärung darin fände.
    Plötzlich hörte ich einen lauten Ruf.
    »Herrin Pandora!«
    Ich wirbelte herum.
    »Pandora, er ist über die Mauer!«
    Die Jungen rannten kreischend durchs Haus, ihre Schreie wiederholten Flavius’ Worte wie ein Echo: »Herrin Pandora!«
    Etwas großes Dunkles ballte sich direkt vor meinen Augen zusammen und stürzte sich auf mich, stieß die hilflosen, winselnden Knaben zur Seite. Ich selbst wurde beinahe die Treppe hinuntergeschleudert.
    Dann wurde mir klar, dass ich in der Gewalt des verbrannten Wesens war. Mein Blick fiel auf den schwarzen Arm – verschrumpelt wie altes Leder –, der mich umklammert hielt. Ein intensiver Geruch nach Gewürzen drang mir in die Nase. Das hässlich dürre Bein, das ich sah, und der verdorrte Fuß steckten in frischer Kleidung.

    »Kinder, holt die Lampe, steckt ihn in Brand!«, rief ich, dabei wehrte ich mich verzweifelt, drängte ihn von dem Treppenschacht weg, doch ich konnte mich nicht von der Kreatur befreien. »Los, Kinder, die Lampen von unten!«
    Die Jungen klammerten sich aneinander.
    »Ich habe dich!«, flüsterte mir die Kreatur zärtlich ins Ohr.
    »Nein, mitnichten!«, erwiderte ich und verpasste ihm einen anständigen Hieb mit dem Ellenbogen, so dass er das Gleichgewicht verlor. Beinahe wäre er umgefallen.
    Aber er ließ mich nicht los. Das Weiß seiner Tunika leuchtete im Halbdunkel, als er aufs Neue meine Arme umklammerte und mich damit so gut wie wehrlos machte.
    »Kinder, nach unten! Die Lampen mit Öl!«, rief ich.
    »Flavius!«
    Das Wesen umschloss mich, als wäre es eine riesige Schlange. Ich konnte kaum atmen.
    »Wir können nicht da runter!«, rief jetzt einer der Jungen.
    »Wir dürfen nicht!«, fügte der andere hinzu.
    Die Kreatur lachte mir ins Ohr, ein lautes, tiefes Lachen. »Nicht jeder neigt so zur Rebellion wie du, schöne Frau, die du deinen Bruder am Fuß der Tempelstufen überlistet hast.«
    Es versetzte mir einen Schock, aus diesem Körper, der hoffnungslos verbrannt

Weitere Kostenlose Bücher