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Anne Rice - Pandora

Anne Rice - Pandora

Titel: Anne Rice - Pandora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pandora
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die Stufen hinabstieg, fiel mein Kopf gegen seine Brust, so dass ich die knochigen Rippen an meiner Wange spürte. »Wirklich sehr schwach«, hauchte ich. Ich konnte mich kaum bei Bewusstsein halten. Akasha, ja, das war ihr richtiger Name.
    »Vorsichtig, mein Freund«, sagte Marius. »Stirbt sie, vernichte ich dich. Du hast dein Spiel schon fast über-reizt. Jeder mühsame Atemzug von ihr verringert deine Chancen. Pandora, sprich nicht mehr, bitte. Akbar ist ein großer Bluttrinker, ein großer Gott.«
    Eine kalte Hand umfasste mit festem Griff die meine.
    Wir hatten die untere Ebene erreicht. Ich wollte den Kopf heben. Ich sah Lampen aufgereiht, herrliche Wandmalereien in Gold, die Decke war golden ausge-schlagen.
    Zwei große steinerne Türen öffneten sich. Dahinter lag eine Kapelle, eine Kapelle im flackernden Licht von Altarkerzen und erfüllt von betäubendem Lilienduft.
    Der Bluttrinker, der mich trug, stieß einen Schrei aus.
    »Mutter Isis!«, sagte er kläglich.
    Er ließ mich los, stellte mich auf die Füße, und schon griff Marius nach mir, und der entstellte Krüppel stürzte auf den Altar zu.
    Ich schaute und staunte. Aber ich war dem Tode nahe.
    Ich konnte nicht atmen. Ich sank zu Boden. Ich versuchte, Luft in mich aufzunehmen, doch es ging nicht. Ohne Marius’ Hilfe vermochte ich mich nicht aufrecht zu halten.
    Aber die Erde und ihr ganzes Elend zu verlassen mit diesem Bild vor Augen!
    Da saßen sie: die Große Göttin Isis und der König Osiris – zumindest schienen sie es zu sein – mit bronzefarbener Haut, nicht weiß wie die arme, gefangene Königin in meinen Träumen; beide angetan mit Gewändern aus gesponnenem Gold, die in dem starren ägyptischen Stil gefältelt und gelegt waren. Ihre schwarzen Haare waren echt und zu langen Zöpfen geflochten. Die Schminke auf ihren Gesichtern, die dunklen Lidstriche, das Rot der Lippen, alles war frisch aufgetragen.
    Sie trug nicht die Krone mit den Hörnern und der Son-nenscheibe. Ihr Halsschmuck aus Gold und Juwelen war eine Pracht, und sein Schimmer hatte für mich etwas Lebendiges.
    »Ich muss die Krone haben, ich muss ihr die Krone wieder aufsetzen!«, sagte ich laut, und in meinen Ohren klang die eigene Stimme, als käme sie von irgendwoher, um mir Anweisungen zu geben. Die Augen fielen mir zu.
    Das schwarze Scheusal kniete vor der Königin nieder.
    Ich konnte nicht gut sehen. Ich spürte Marius’ Arme und dann einen Schwall heißen Blutes in meinem Mund.
    »Nein, Marius, beschütze sie!« Ich wollte sprechen, doch meine Worte wurden mit dieser blutigen Flut fortge-schwemmt. »Beschütze unsere Mutter!« Wieder ergoss sich Blut in meinen Mund, so viel, dass ich schlucken musste. Im gleichen Moment spürte ich die Kraft, die Macht dieses Blutes: unendlich viel stärker als das Saugen Akbars. Dieses Blut strömte durch meinen Körper wie Flüsse ins Meer. Man konnte es nicht aufhalten. Als hätte ein gewaltiger Sturm den Fluss noch schneller ins Delta getrieben, so folgte ein weiterer Schwall, und seine geteilten, zufälligen Ströme suchten sich ihren Weg in die kleinste Faser des Fleisches.
    Eine weite, wundersame Welt öffnete sich mir und hätte mich willkommen geheißen, Sonnenlicht im dunklen Wald, doch ich wollte sie nicht sehen. Ich riss mich davon los. »Die Königin! Rette sie vor ihm!«, flüsterte ich. Tropf-te das Blut von meinen Lippen? Nein, ich hatte alles in mich aufgenommen.
    Marius wollte nicht auf mich hören. Wieder presste sich eine blutende Wunde gegen meinen Mund, und noch schneller schoss das Blut in meinen Körper. Ich merkte, dass meine Lungen sich mit Luft füllten. Ich fühlte die ganze Länge meines Körpers, kräftig war er, konnte ganz ohne Hilfe stehen. Wie Licht glühte das Blut in mir, als hätte es mein Herz in Flammen gesetzt. Ich öffnete die Augen. Ich stand wie eine Säule. Ich sah Marius’ Gesicht, seine goldenen Wimpern, seine tiefblauen Augen.
    Das lange, in der Mitte gescheitelte Haar fiel ihm auf die Schultern. Er war alterslos, ein Gott.
    »Beschütze sie!«, schrie ich, drehte mich um und zeigte auf sie.
    Ein Schleier hob sich, der mein Leben lang zwischen mir und allen Dingen gehangen hatte; in ihren wahren Farben, ihrer wahren Form enthüllten sie mir ihren ei-gentlichen Zweck: Die Königin sah geradeaus, unbeweglich wie der König. Das Leben selbst hätte diese ungerührte Heiterkeit, diese völlige Lähmung, nicht imitie-ren können. Ich hörte, wie Wasser von den Blumen tropf-te. Winzige Tropfen,

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