Annie und der sinnliche Italiener
aufbegehren, da kam ihr ein verstörender Gedanke. „Warum hat sich der Lift eigentlich die ganze Zeit nicht gerührt?“, wollte sie wissen und konnte sich des Gefühls nicht erwehren, als schlössen sich die verspiegelten Wände immer enger um sie.
Ein lässiges Schulterzucken begleitete Lucs Antwort. „Es ist ein Privatlift, der direkt ins Penthouse des Hotels führt. Nur wer dort residiert, kennt den Geheimcode.“
Um zu verstehen, was das bedeutete, brauchte Annie keine Sekunde. „Das wärst dann also du.“
„Als Besitzer des Hotels … nicht unbedingt ungewöhnlich, oder?“
Besitzer des Hotels!
Wie musste er sich amüsiert haben, als sie ihm gedroht hatte, ihn bei der Hotelleitung wegen Belästigung der Gäste anzuschwärzen!
„Da ich jetzt enttarnt bin, was hältst du davon, unsere … trauliche Plauderei in meiner wesentlich komfortableren Suite weiterzuführen?“
„Gar nichts“, erklärte Annie kategorisch, stieß Luc zur Seite und rappelte sich vom Boden auf. „Für mich ist das Gespräch beendet. Wärst du so freundlich, augenblicklich die Lifttüren zu öffnen?“
„Nicht, bevor du mir ein paar Fragen beantwortet hast.“
Annie seufzte, verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen die verspiegelte Wand. „Die da wären …“
„Zum Beispiel, welche von Oscars vielen Frauen eigentlich deine Mutter ist?“
„Er hatte nur drei Ehefrauen“, fühlte Annie sich bemüßigt, ihren Vater zu verteidigen. Warum, wusste sie eigentlich selbst nicht, außer, dass es Luc nichts anging. „Meine Mutter ist Tilly, Oscars zweite Frau“, fügte sie dann doch noch hinzu.
„Ah, es heißt, sie lebt immer noch mit ihm zusammen auf Balfour Manor . “
„Nicht mit ihm!“, korrigierte Annie kalt und wartete angespannt auf Lucs Reaktion, doch nichts kam. „Wenn du es unbedingt wissen musst, meine Mutter war nach dem Tod ihres zweiten Mannes am Boden zerstört, darum hat Oscar ihr angeboten, im Pförtnerhaus auf dem Anwesen zu wohnen.“
„Wie bewundernswert zivilisiert, nach einer Scheidung immer noch gute Freunde zu bleiben“, murmelte Luc sarkastisch.
„So ist es aber.“
„Und seine dritte Frau … Lillian? Hat ihr dieses Arrangement auch gefallen?“
„Was für ein Arrangement?“, fragte Annie rau.
„Ach, komm schon, Anna. Wir sind doch erwachsene Menschen.“
„Du … willst du etwas andeuten?“
Er lachte spöttisch. „Ist doch kein Wunder, dass seine Töchter sich wie wilde Hummeln aufführen – mit so einem Vater als Vorbild.“
Endlich verstand Annie und schloss gepeinigt die Augen. Wie konnte er es wagen? Woher nahm Luc das Recht, in dieser Weise über ihre Familie zu urteilen?
„Du weißt gar nichts über meine Mutter und meinen Vater“, sagte sie mit tödlicher Ruhe. „Sonst wüsstest du, dass die beiden im besten Sinne gute Freunde sind. Und meine Mutter ist die klügste, liebenswerteste …“
„Schon gut“, unterbrach er sie kalt. „Du weißt doch, was man sagt, wenn jemand zu heftig protestiert, oder?“
Noch immer hatte Luc den Schock darüber, wer Annie in Wirklichkeit war und aus welchem zweifelhaften Stall sie stammte, nicht überwunden. Der Name Balfour war ein Synonym für Skandal.
Und gerade in den letzten Jahren hatte er solche Art von Publicity gemieden, weil ihn ganz andere Probleme bewegten. Als ihm irgendwann etwas über Oscar Balfours spektakuläre Töchter zu Ohren gekommen war, hatte er sie einfach als eine Truppe leichtsinniger Party-Girls mit mehr Geld als Verstand abgetan.
Wenn er jetzt darüber nachdachte, klang es ein wenig nach ihm selbst … vor viereinhalb Jahren! Aber nur vielleicht.
Obwohl, in letzter Zeit hatte er von einem größeren Skandal im Hause Balfour läuten hören, der offenbar die illegitime Geburt eines der Mädchen betraf. Doch wenn er darauf überhaupt einen Gedanken verschwendete, dann nur, weil es ihm unverständlich war, dass es bei den sieben oder acht Balfour-Töchtern überhaupt irgendjemanden interessieren könnte, ob eine oder alle außerehelich geboren waren.
Zumal diese Tradition von der nächsten Generation offenbar weitergeführt wurde. Immerhin hatte auch Anna Balfour einen dreijährigen, illegitimen Sprössling.
„Gehe ich richtig in der Annahme, dass dir momentan nicht besonders viel an einem Dinner mit mir liegt?“, fragte Luc steif.
Fast hätte Annie vor Erleichterung hörbar aufgeatmet. Damit machte er ihr die Entscheidung leicht, ob sie ihm von seinem Sohn erzählen sollte
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