Annie und der sinnliche Italiener
zu verdauen.
Wenn er im Laufe seines Lebens überhaupt in eine derartige Richtung gedacht hatte, dann nur flüchtig. Die ersten sechsundzwanzig Jahre waren in einem dekadenten Wirbel von Abenteuersuche, Genussdenken und egozentrischen Eskapaden vorbeigeflogen, die letzten vier vollends damit ausgefüllt gewesen, Salvatore Business Imperium zu retten und an die Weltspitze zu führen.
Und jetzt plötzlich besaß er einen Sohn namens Oliver … den er noch nie von Angesicht zu Angesicht gesehen oder gar in den Armen gehalten hatte.
Während er den Blick anklagend auf Annie richtete, verhärtete sich Lucs Gesicht. Oscar Balfours verwöhntes Töchterchen, das so einfach für sich entschieden hatte, ihm sein eigen Fleisch und Blut vorzuenthalten.
Sein anhaltendes Schweigen machte Annie nervös. „Ich tue alles, was du willst, Luc, wenn du Oliver nur aus einer öffentlichen Schlacht vor Gericht raushältst“, versprach sie mit bebender Stimme. „Nenn mir einfach den Preis.“
Er lachte bitter. „Du glaubst wirklich, alles hat seinen Preis, oder?“
Trotzig hob sie das Kinn. Zumindest was das Geschäftliche betraf, hatte Oscar ihr diesen Satz immer wieder vorgebetet. Und nach dem, was sie in der Zusammenarbeit mit ihm erlebte, musste sie ihm – wenn auch widerwillig – sogar zustimmen. Aber hier ging es nicht um einen Business-Deal , sondern um ihren kleinen Sohn. Und da galten natürlich andere Regeln.
Aber welche? Annie fühlte sich schrecklich hilflos.
„Meiner Erfahrung nach, ja“, behauptete sie einfach.
„Und du wärst tatsächlich bereit, mir alles zu geben, wonach ich verlange?“
Die Härchen in ihrem Nacken richteten sich steil auf. Aber was blieb ihr für eine Wahl? „Alles …“, versprach sie heiser.
„So sehr liebst du unseren Sohn?“
„Ja, natürlich liebe ich meinen Sohn über alles!“, entgegnete sie ungeduldig. „Was glaubst du denn, was für eine Mutter ich bin?“
Ratlos hob er die Schultern und ließ sie wieder sinken. „Keine Ahnung, woher soll ich das wissen? Momentan bist du jedenfalls eine abwesende Mutter.“
„Oliver ist zu Hause bei seiner Oma gut aufgehoben.“
„Das wäre dann deine Mutter, nehme ich an … Oscars zweite Frau, die seit dem Tod ihres zweiten Mannes wieder auf Balfour Manor in einem Pförtnerhaus wohnt?“
„ Ich lebe zufällig auch dort!“, informierte Annie ihn scharf, weil ihr sein Ton nicht gefiel.
„Und dein Vater? Meine Recherchen haben ergeben, dass Oliver Balfour Manor so gut wie nie verlässt. Kann es sein, dass Oscar sich für ihn schämt, weil er illegitim geboren ist? Ausgerechnet er müsste doch Verständnis dafür haben, angesichts seiner eigenen Fehltritte.“
Lucs verletzende Bemerkung gab Annies Sorgen Recht. Sie musste unter allen Umständen verhindern, dass derartige Giftpfeile ihren Sohn erreichten. „ Ich bin es, die Oliver damit vor den Auswirkungen der erbarmungslosen Pressekampagnen und den aufdringlichen Paparazzi schützen will“, stellte sie brüsk klar. „Wenigstens er soll frei und unbehelligt aufwachsen.“
„Das kann man auch anders erreichen.“
„Wie zum Beispiel? Ich bin für jeden Tipp dankbar“, erwiderte Annie zynisch.
„Vielleicht würden weniger auffällige Schwestern helfen“, gab Luc in gleichem Ton zurück.
„Ich bin nicht für das Verhalten meiner Schwestern verantwortlich!“
„Schon gut, kommen wir zum eigentlichen Thema zurück. Was glaubst du, würde mich für dreieinhalb Jahre versäumter Zeit mit meinem Sohn entschädigen?“
Da es nichts gab, was sie auch nur für einen Tag ohne Oliver als Ersatz gelten lassen würde, war Annie um eine Antwort verlegen. Nichts, was sie jetzt sagte oder Luc anbot, könnte dieses Defizit wieder gutmachen.
„Ich … ich kannte weder deinen Nachnamen noch deine Adresse. Wie hätte ich dich denn von der Schwangerschaft und Geburt unterrichten können?“, wagte sie einen schwachen Verteidigungsversuch.
„Hast du es überhaupt versucht?“, wollte Luc wissen. „Bist du nach Bestätigung der Schwangerschaft wenigstens in den Skiort zurückgekehrt und hast dich bemüht, die Identität deines Liebhabers herauszufinden?“
Sie senkte den Blick. „Nein.“
„Warum nicht? Und versuch jetzt nicht, mir weiszumachen, dass aller Balfour-Einfluss nicht ausgereicht hätte, um erfolgreiche Recherchen anzustrengen.“
„Warum hätte ich das tun sollen?“ Zweifel an der eigenen Entscheidung ließen ihre Stimme gereizt klingen. „Wir hatten einen
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