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Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Titel: Annika Bengtzon 09: Weißer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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Engländer haben seine Vergangenheit recherchiert«, sagte er.
    Sie blickte aus dem Fenster. Der Himmel war grau und dunkelrot.
    »Es gibt mehrere Zeugenaussagen vor dem International Criminal Tribunal for Rwanda, einem internationalen Gerichtshof in Tansania, in Arusha, die ein Massaker in Makuzas Heimatort im Mai 1994 beschreiben.«
    Sie presste sich tiefer in die Kissen.
    »Mehrere Tausend Menschen wurden ermordet, Frauen und kleine Mädchen vergewaltigt, halbwüchsige Jungen gezwungen, die eigenen Hoden zu essen.«
    Sie schlug die Hand vor den Mund und drehte sich zur Wand.
    »Das würde seine unnatürlich hohe Stimme erklären«, sagte Halenius leise.
    »Ich will es nicht wissen«, sagte Annika.
    »Er hatte eine Schwester in Frankreich. Sie war das älteste Kind der Familie und hatte Kigali bereits im Herbst 1992 verlassen. Sie arbeitete illegal in einer Textilfabrik außerhalb von Lyon und verdiente offenbar ein bisschen Geld, mit dem sie sein Studium an der Universität Nairobi finanzierte, bis zum vorletzten Semester.«
    »Wie schade, dass sie nicht weiter bezahlt hat«, murmelte Annika.
    Halenius’ Gesichtsausdruck war in der Dunkelheit nicht mehr zu erkennen.
    »In der Fabrik brach Feuer aus, und die Schwester ist verbrannt. Die Notausgänge waren blockiert, es gab keine Feuer­löscher. Makuza musste sein Studium abbrechen. Statt nach ­Ruanda zurückzukehren, ging er nach Somalia.«
    Annika stand auf, schaltete die Deckenlampe ein und all die kleinen Schmucklämpchen im Fenster.
    »Wann war das mit dem Feuer?«, fragte sie und holte ihren Laptop aus dem Kinderzimmer. Das Netzwerkkabel für den Internetanschluss schlängelte sich hinter ihr her.
    »Muss genau vor fünf Jahren gewesen sein«, sagte Halenius.
    Sie googelte factory fire lyon und musste eine Weile suchen, ehe sie es gefunden hatte. Das Ereignis hatte nicht für besonderes Aufsehen gesorgt. Nach einer Meldung des BBC External Service waren sechs Näherinnen dem Feuer zum Opfer gefallen, achtundzwanzig konnten sich retten. Die Fabrik produzierte Luxushandtaschen made in France , die in den Edelboutiquen zehntausend Kronen kosteten. Makuzas Schwester und die anderen Arbeiterinnen schliefen in der Fabrik und schafften es nicht mehr rechtzeitig nach draußen. Alle, die in dem Feuer verbrannten, waren illegale Einwanderer, sechs von Hunderttausenden in Westeuropa, die unter sklavenähnlichen Verhältnissen lebten. Sie waren aus ihrem Heimatland geflohen, um ein besseres Leben zu finden, und in einer ewigen Schuldenfalle gelandet, um die Flucht in die alte, freie Welt zu bezahlen.
    Es gab keine Bilder zu dem Artikel.
    »Keine Entschuldigung«, sagte Halenius, »aber eine Erklärung.«
    Sein Handy klingelte, und Annika erstarrte, als hätte sie es geahnt. Er verschwand im Schlafzimmer, schloss das Telefon an das Aufzeichnungsgerät an und sprach leise, wie er es immer tat, wenn er wichtige Anrufe vom JIT in Brüssel bekam, von den beteiligten Nachrichtendiensten, den anderen Unterhändlern und dem Verbindungsmann der Kripo. Jetzt sprach er Schwedisch, das bedeutete vermutlich, dass Letzterer anrief.
    Oder vielleicht war es auch jemand aus dem Ministerium. Gegen Mittag hatte eine Parlamentsabgeordnete der Moderaten den Justizminister wegen unerlaubter Ministerdirektive bei der Verfassungskommission angezeigt, vielleicht sprachen sie dar­über. Oder die Botschaft in Nairobi wollte sich über irgendwas in­formieren. Eine ganze Reihe von Akteuren konnte sich melden …
    Sie ging in die Küche und goss zwei Becher Kaffee auf.
    Als sie damit ins Wohnzimmer kam, stand Halenius an der Tür, weiß im Gesicht.
    Sie stellte die Becher auf dem Couchtisch ab.
    »Annika …«
    »Ist er tot?«
    Er kam auf sie zu und packte sie an den Schultern.
    »Vor der Polizeistation in Liboi hat man einen Karton gefunden«, sagte er. »Eine linke Hand lag darin.«
    Ihre Beine gaben nach, sie sank aufs Sofa.
    Halenius setzte sich neben sie und blickte ihr fest in die ­Augen.
    »Annika, hörst du mich? Ich muss es dir sagen.«
    Sie klammerte sich an der Sofalehne fest.
    »Es ist die Hand eines weißen Mannes«, sagte er. »Am Ringfinger steckte ein schlichter Goldring.«
    Das ganze Zimmer begann sich zu drehen, sie merkte, wie sie hyperventilierte. Es war eigentlich viel zu spät gewesen, um die Ringe gravieren zu lassen, so kurz vor Weihnachten waren alle Juweliere ausgebucht, aber sie fanden einen großen Kerl mit ­Lederschürze in der Hantverkargatan, der machte es

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