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Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Titel: Annika Bengtzon 09: Weißer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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und blätterte ihn rasch durch.
    Sie hatten ungefähr den gleichen Aufmacher mit ähnli­chen Head­lines (sie nannten Grégoire Makuza die »Bestie von ­Ruanda«), aber am Ende des Themenblocks hatten sie etwas exklusiv: ein Foto von Annikas Kindern auf einem Schulhof (die mangelnde Tiefenschärfe verriet, dass die Aufnahme mit einem großen Teleobjektiv gemacht worden war) und darüber einen Text, wie traurig sie waren, dass ihr Papa nicht da war. Angeblich hatte Kalle, elf, gesagt: »Ich hoffe, er kommt Weihnachten nach Hause«, und das war auch die Überschrift. (In Wirklichkeit hatte der Junge natürlich nichts dergleichen gesagt, sondern der Reporter hatte gefragt: »Hoffst du, dass dein Papa zu Weihnachten nach Hause kommt?«, und der Junge hatte »mhmm« geantwortet.)
    Der Chefredakteur raufte sich den Bart. Das würde für Wirbel sorgen. Dass afrikanische Frauen zu Tausenden von Macheten aufgespießt wurden, ging in der Regel ziemlich spurlos an der schwedischen Öffentlichkeit vorbei, aber dass zwei (schwedische) Kinder heimlich fotografiert wurden, würde die Hüter des anständigen Journalismus auf die Palme bringen. Zwar hatte er diesen Fehler nicht begangen, aber Kommentatoren wie auch gewöhnlichen Lesern fiel es unerhört schwer, die beiden großen Boulevardzeitungen auseinanderzuhalten. In ein paar Wochen würde die Hälfte der Leserschaft jeden Eid schwören, dass das Foto im Abendblatt erschienen war. Aus dem Grund war es sinnlos, den Konkurrenten zu kritisieren. Man konnte sich genauso gut selbst ins Knie schießen. Gewöhnlich vermied er das.
    Eventuell die Aufmerksamkeit von dem Paparazzifoto mit den Kindern ablenken könnte die Tatsache, dass der Junge gesagt hatte, »Jimmy aus Papas Büro« sei bei ihnen zu Hause und helfe dabei, Papa freizubekommen. Der Text erklärte den Lesern dazu, dass es im ganzen Justizministerium nur einen Jimmy gab, und zwar Staatssekretär Jimmy Halenius, die rechte Hand des Ministers, und dass man wohl fragen müsse, ob der sozial­demokratische Justizminister sich nicht einer Ministerdirektive schuldig mache, wenn er seinen höchsten Ministerialbeamten eigenmächtig dazu abstelle, mit Terroristen zu verhandeln …
    Schyman lehnte sich zurück.
    Vermutlich würde irgendein Parlamentsabgeordneter der Mo­deraten den Minister noch heute Nachmittag bei der Verfassungs­kommission anzeigen, und die bürgerlichen Kommissionsmitglieder würden lauthals über die Frage streiten, bis man zu dem Ergebnis kam, eine Gruppe von Entführern sei keine Behörde und deshalb könne keine Rede von einer Ministerdirektive sein.
    Und genau in dem Moment, als die hochroten Gesichter von den Mitgliedern der Verfassungskommission vor seinem inneren Auge auftauchten, brach die Rückenlehne seines Bürostuhls ab, und er stürzte kopfüber in das Bücherregal hinter ihm.
    *
    Der Aufzug glitt lautlos durch das Marmortreppenhaus und hielt mit einem sanften Ruck im obersten Stockwerk, der »Penthouse-Etage«, wie die Eigentümerin der Wohnung sie zu nennen pflegte.
    Annika hätte nie gedacht, dass sie jemals wieder den Fuß in dieses Haus setzen, jemals wieder diesen Aufzug betreten, jemals wieder an dieser Tür klingeln würde. Alles war ihr in seiner eleganten Kühle unangenehm vertraut, obwohl sie seit über drei Jahren nicht mehr hier gewesen war: weißer Steinfußboden, gemaserte Holztüren, dicke Teppichläufer.
    »Mama«, sagte Ellen und zog an ihrer Hand, »warum müssen wir bei Sophia bleiben?«
    GRENBORG las Annika auf dem Messingschild an der Wohnungstür. Sie konnte immer noch das kleine Loch erkennen, das von dem abmontierten Schild mit dem Namen SAMUELSSON zurückgeblieben war.
    »Sophia hat so oft nach euch gefragt«, sagte sie. »Als ihr in Washington wart, hatte sie solche Sehnsucht nach euch, und jetzt möchte sie gern, dass ihr sie besucht.«
    »Ich sage immer Sofa zu ihr«, sagte Kalle.
    Annika öffnete die Ziehharmonikatür des Aufzugs und zog die Kinder und ihre kleinen Reisetaschen ins Treppenhaus. Es waren noch dieselben Köfferchen wie in dem Jahr, als Thomas und sie die Kinder abwechselnd gehabt hatten. Schon beim ­Anblick der Köfferchen krampfte sich ihr der Magen zusammen.
    »Wie lange müssen wir hierbleiben?«, fragte Ellen.
    »Warum dürfen wir nicht zur Schule gehen?«, fragte Kalle.
    Sie biss die Zähne zusammen und klingelte. Eilige Schritte näherten sich, dann ging die Tür auf.
    Sophia Grenborg trug die Haare jetzt strenger. Ihr blonder Pa­genkopf war

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