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Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Titel: Annika Bengtzon 09: Weißer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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Ngong Road ab. Stromleitungen hingen wie Spinnenweben über der Straße, es gab keine weißen Linien, nur Staub und Asphalt.
    Annika schloss die Augen vor den vorbeisausenden Gesichtern. Was sollte sie tun, wenn er starb? Wenn er nie wieder auftauchte? Und was sollte sie tun, wenn er überlebte? Wenn er verstümmelt und traumatisiert wiederkam?
    Sie hatten kein Geld mehr, um eine neue Wohnung zu kau­fen, und er fand ihre gemietete Dreizimmerwohnung grässlich. Würde er wieder arbeiten können? Gab es Prothesen, die wie richtige Hände funktionierten? Wie würde es sich anfühlen, mit ihm zu schlafen?
    Sie holte tief Luft.
    »Wo soll ich das Geld hinbringen?«, fragte sie.
    »Wir bekommen die letzten Instruktionen, wenn wir vor Ort sind«, sagte Halenius gepresst.
    Es begann wieder zu regnen. Frida schaltete die Scheibenwischer ein. Der eine quietschte. Die Langata Road ringelte sich wie ein ausgefranster Bindfaden die Hügel hinauf und an den Bergen entlang.
    Bushaltestellen aus Wellblech, stacheldrahtgespickte Betonmauern. Bäume, deren Stämme sich schon an der Wurzel teilten und wie Dächer in den Himmel wuchsen. Es roch nach Abgasen und Braunkohle.
    Frida bog nach rechts ab, das Auto bekam Schlagseite und schaukelte. Sie bremste.
    »Sind wir da?«, fragte Halenius. Annika folgte seinem Blick zu einem rostigen Schild:
    City Council of Nairobi
    Area Council Ward Manager
    Mugumoini Ward
    Welcome.
    Der Regen fiel lautlos auf die Windschutzscheibe. Frida schob sich die Sonnenbrille in die Haare und schaltete den Motor aus. Sie parkten neben einem Maschendrahtzaun, der obendrauf mit einer Reihe Stacheldraht abschloss. In der Nähe standen noch weitere Autos, undefinierbare Fahrzeuge in unterschiedlichen Stadien des Verfalls, aber auch ein großer, schwarzglänzender Mercedes.
    Die Stille im Wagen war undurchdringlich.
    »Und was jetzt?«, fragte Annika.
    »Wir warten«, sagte Halenius.
    »Weiß er, dass wir hier sind?«, fragte sie.
    »Garantiert«, antwortete Halenius.
    Annika sah sich schnell um, als säße der vom Entführer geschickte Kontrolleur direkt hinter ihr. Zwei Männer gingen hinter dem Auto vorüber, dann kam eine Frau mit einem Kind, ein Junge auf einem Fahrrad. Wer war es? Wer war es? Wer war es? Der Sauerstoff im Wagen ging zur Neige, instinktiv fasste sie sich an den Hals.
    »Kann ich aussteigen?«
    »Nein.«
    Mit der Hand am Türgriff blieb sie sitzen.
    Sekunden verstrichen. Minuten. Keiner sagte ein Wort.
    Bald würde sie mit einer Tasche in jeder Hand aussteigen, falls sie überhaupt in der Lage war, sie hochzuheben. Jede Tasche wog beinahe dreißig Kilo. Bald würde sie, alles Unglück fürchtend, durchs Tal der Todesschatten wandern.
    »Wie lange warten wir jetzt schon?«, fragte Frida.
    Halenius schaute auf die Uhr.
    »Bald eine Viertelstunde.«
    Sie bekam keine Luft mehr.
    »Ich muss raus«, sagte sie.
    »Annika, du musst …«
    Sie riss die Tür auf und stieg in den Matsch hinaus.
    »Ich gehe nicht weit.«
    Das Friedhofstor war aus Maschendraht und wurde von einem Seil zusammengehalten.
    Sie ging um ein paar Pfützen herum, duckte sich unter dem Seil hindurch und betrat den Friedhof. Sofort wurde es stiller. Der Lärm der Langata Road verschwand. Ein Flugzeug flog in geringer Höhe über sie hinweg. Sie folgte ihm mit dem Blick.
    Man konnte Tote mit dem Flugzeug nach Hause überführen, das wusste sie. Regelte man das übers Reisebüro, oder war es ein Warentransport? Vielleicht wussten sie bei der Botschaft Bescheid oder bei einem Bestattungsinstitut.
    Der Regen ließ nach.
    Wo sollte sie das Geld deponieren? Hinter einem Holzkreuz? In einem offenen Grab?
    Links, hinter einem Haufen Stacheldraht, war ein frisches Grä­berfeld mit noch brauner Erde und weißen Kreuzen. Weiter hinten gab es auch Gräber, aber die Erde war bereits grasüberwachsen, ein paar Kreuze waren umgefallen.
    Kein Platz hier bot sich wirklich an, um zwei schwarze Sporttaschen mit rotem Logo abzustellen. Sie waren viel zu auffällig, die Leute würden sich wundern und nachschauen. Suchend ließ sie den Blick über den Friedhof wandern.
    Rechts ein offizielles Gebäude, ein kleines graues Betonhaus mit rostigem Blechdach und schmiedeeisernen Gittern vor den Fenstern. Über der Tür stand Mugumoini Ward .
    Das Haus wirkte irgendwie vertraut. Die Tür war in der Mitte der Längsseite und symmetrisch auf beiden Seiten davon jeweils ein Fenster. Aus dem Blechdach ragten zwei Kaminabzüge. Lyckebo, dachte sie. Großmamas

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