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Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Titel: Annika Bengtzon 09: Weißer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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schwedischen Regierung: Analyst der internationalen Sicherheitspolitik mit Verantwortung für Europas äußere Sicherheit. Blieb die Frage, ob die Schweden sich überhaupt noch ins Bett trauten, solange Thomas Samuelsson nicht oben im Rosenbad saß und über sie wachte …
    Die Texte enthielten wenige Fakten, waren aber korrekt, streckenweise allerdings so peripher, dass sie sich an der Grenze zur Belanglosigkeit bewegten. Insgesamt war alles gut gemacht, es gab, soweit er es beurteilen konnte, keine Fehler, der Hauptartikel über die Entführung war sogar mit dramaturgischem Geschick gestaltet, ohne albern zu werden.
    Anders Schyman legte die Zeitung zur Seite und rieb sich die Augen. Heute würden sie tüchtig verkaufen, vielleicht nicht ganz so viele Exemplare wie in den guten alten Zeiten, aber nah dran. Er zog den Laptop zu sich heran, rief die letzte Quartals­erhebung von Tidningsstatistik AB auf, die sogenannten TS -Zah­len, und ließ den Blick über die Tabelle wandern. Das Abend­blatt war ein gutes Stück von den Auflagenzahlen der Gazeta Wyborcza entfernt, aber der Abstand zwischen den beiden größten Zeitungen Schwedens war nie geringer gewesen. Egal, wie sehr der Konkurrent auch die Zahlen verheimlichte, Gratis­exemplare verteilte oder sich über die Berechnungen von TS be­schwerte, es blieb ein Faktum: Seit ein paar Jahren schrumpfte die Auflagenkluft zwischen den beiden Giganten, sie lag inzwi­schen bei lediglich 6700 Exemplaren pro Tag. Wenn er nur noch ein bisschen aushielte, würde das Abendblatt aufholen und Skandinaviens größte Zeitung werden, und er selbst eine historische Figur. Er kratzte sich am Schnurrbart.
    Gut, er war außerdem der Erste, der zwei Mal mit dem Großen Journalistenpreis ausgezeichnet worden war, aber das sollte nicht seine einzige Hinterlassenschaft sein.
    Anders Schyman würde in die Geschichte eingehen als der Redakteur, der Neuland erobert und einen neuen Tiefstand in der schwedischen Presseethik erreicht hatte. Aller Voraussicht nach würde er sein Ziel über Thomas Samuelsson erreichen. Auflage hieß das Zauberwort.
    Er blickte über die Bürolandschaft.
    Patrik Nilsson war schon am Platz. Er konnte nicht lange geschlafen haben. Schyman hatte den Redakteuren untersagt, im Pausenraum zu übernachten, er verlangte, dass sie wenigstens nach Hause fuhren und duschten, aber er bezweifelte, dass Patrik das befolgte. Wahrscheinlich ging er nur nach draußen und machte auf der Rückbank seines Dienstwagens für eine Weile die Augen zu. Jetzt kam auch Berit Hamrin in Mantel und mit Aktentasche herein, sie sah aus wie seine alte Englischlehrerin am Gymnasium. Sie hatte den Übergang zu bewegten Bildern und Tonaufnahmen nur mit Mühe geschafft. Wenn sie Kom­mentare sprach, klang ihre Stimme gleichgültig, und ihre Schnitt­technik war mangelhaft, aber wenn es um Fakten und Zusam­menhänge ging, war sie ein wandelndes Lexikon. Außerdem arbeitete sie schon seit Ben Hur für die Zeitung, und eine Abfin­dung wäre viel zu teuer.
    Sjölander würde in den nächsten Stunden nicht auftauchen, er war ein Mann, der seinen Schönheitsschlaf brauchte. Elin Michnik war in der Redaktion geblieben und hatte die Internetausgabe auf den neusten Stand gebracht, Anders Schyman hatte sie in der Drehtür getroffen, als er am Morgen kam.
    Seit dreizehn Jahren arbeitete er hier. Erst als Redaktionsleiter und dann als Chefredakteur und Herausgeber. Man konnte über sein Engagement sagen, was man wollte, aber eines stand fest: Er hatte sich wirklich angestrengt. Er hatte getan, was von ihm erwartet wurde, ohne dabei lange zu überlegen oder mit sich ins Gericht zu gehen, und war auf mehreren Ebenen erfolgreich. Die Organisation funktionierte wie ein zähes, klopfendes Herz, die Vertriebskanäle und die Verkaufsstellen waren gesichert, die Zahlen rabenschwarz. Er hatte sich sogar eine Schar von potentiellen Nachfolgern herangezogen. Die quälende Leere in seinem Bauch wäre vermutlich ohnehin entstanden, jedenfalls redete er sich das ein. Er führte dieses Gefühl eher auf sein Alter zurück als auf seine Berufung. Sein Körper war behäbiger und sein Schwanz schlaffer geworden. Das fehlende Interesse an Erotik ging mit dem schrumpfenden Engagement in presseethischen Fragen einher, aber er brachte es nicht fertig, darüber nachzudenken, ob das etwas miteinander zu tun haben könnte.
    Er schaute auf seine Armbanduhr.
    Noch drei Stunden bis zur Elf-Uhr-Konferenz.
    Genug Zeit, um Annika Bengtzon

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