Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Annika Bengtzon 09: Weißer Tod

Titel: Annika Bengtzon 09: Weißer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
Vom Netzwerk:
Couchtisch, dann setzte sie sich kerzengerade aufs Sofa.
    »Ich muss wohl meine Mutter auch anrufen?«
    »Es wäre schon sehr merkwürdig, wenn sie es aus den Medien erfährt.«
    Sie holte tief Luft, griff nach ihrem Redaktionshandy und gab die Nummer aus Kindertagen ein. Sie hatte sich nie geändert.
    Sie hörte ihren eigenen Herzschlag lauter als die Klingelsignale.
    »Mama? Hier ist Annika. Wie geht’s?«
    Die Antwort ging im Dröhnen ihres eigenen Pulsschlags unter. Sie vernahm etwas von Ischias und von Auszahlungen einer Versicherungssumme, die nicht rechtzeitig angekommen waren.
    »Mama«, fiel sie ihr ins Wort, »es ist was Schlimmes passiert. Thomas ist in Afrika verschwunden.«
    Am anderen Ende wurde es still.
    »Wie, verschwunden?«, sagte Mama Barbro. »Ist er mit einer Negerin durchgebrannt?«
    Jetzt hörte sie, dass ihre Mutter nicht ganz nüchtern war.
    »Nein, Mama, er ist entführt worden. Wir wissen noch nicht genau, wie ernst es ist, aber ich dachte, du solltest es wissen.«
    »Entführt? Wie dieser Millionär da? Warum das denn? Ihr habt doch gar kein Geld!«
    Annika schloss die Augen und atmete tief durch. Sie hatte keine Ahnung, von welchem Millionär ihre Mutter sprach.
    »Mama«, sagte sie, »können die Kinder am Wochenende zu dir kommen? Ich weiß nicht, wie lange es dauert, aber ich werde in den nächsten Tagen ziemlich viel um die Ohren haben …«
    Am anderen Ende murmelte ihre Mutter etwas in den Hörer.
    »Das wäre mir eine große Hilfe …«
    »Entführt?«
    »Zusammen mit sechs anderen Delegierten einer Sicherheitskonferenz in Nairobi. Soweit wir wissen, ist er nicht verletzt. Wäre es dir möglich, dich um Kalle und Ellen zu kümmern? Nur einen Tag vielleicht?«
    »Geht nicht«, sagte ihre Mutter. »Ich habe Destiny.«
    Annika blinzelte.
    »Was?«
    »Birgitta macht am Wochenende eine Extraschicht im Laden. Ich muss auf De-hestiny aufpassen.«
    Mama hatte einen Schnaps-Schluckauf. Und Birgittas einjährige Tochter hieß offenbar Destiny, die Ärmste.
    »Aber Biggan ist doch verheiratet«, warf Annika ein. »Kann Steven sich nicht um sein Kind kümmern?«
    Die Mutter ließ etwas auf den Fußboden fallen, Annika hörte im Hintergrund jemanden fluchen. Vielleicht hatte ihre Mutter einen neuen Freund.
    »Du«, sagte Barbro in den Hörer, »ich mu-huss los. Und du solltest dich bei Birgitta enschulligen.«
    »Sicher, Mama«, sagte sie. »Tschüs.«
    Sie legte auf und ließ das Handy in den Schoß sinken. Hinter ihren Lidern brannten heiße Tränen.
    »Gibt es etwas Beschämenderes, als von seiner Mutter nicht geliebt zu werden?«, fragte sie mit erstickter Stimme.
    »Ja«, sagte Halenius. »Von seinen Kindern nicht geliebt zu werden.«
    Sie lachte auf.
    »Ist das nicht aus irgendeinem Film?«
    »Ja«, erwiderte er, »mit Sven-Bertil Taube in der Hauptrolle.«
    Eine Sekunde später klingelte das Telefon.
    *
    Sie trugen uns nach draußen, einen nach dem anderen, und ich war der Erste.
    Es war nun vollkommen dunkel. Kein Mondschein. Nirgends ein Feuer. Sie packten mich unter den Armen und an den Füßen, genauso wie sie den Franzosen rausgetragen hatten, und mich umschloss schwarzes Nichts, auf dem Weg in schaukelndes Nichts. Ich war kurz davor, das Bewusstsein zu verlieren, vor Angst hatte ich keine Kontrolle mehr über Darm und Blase. Mir war, als könnte ich sehen, wie die säbelförmigen Hackmesser im Dunkeln glänzten, und das taten sie wohl auch, denn die Fessel um meine Füße fiel ab, jemand zog mir die Hosen runter und kippte mir einen Eimer Wasser in den Schritt. Kaltes Wasser, aber es brannte wie Feuer auf der wunden Haut, trotzdem schrie ich nicht auf, denn das war nicht erlaubt, no allowed , das hatte Kiongozi Ujumla gesagt, und auch keine Unterhaltung. Schwei­gend hatten wir eng nebeneinandergelegen, bis die Geräusche draußen verstummten und nur noch die zischenden Atemzüge des Dänen durch die Dunkelheit zitterten.
    Nachts sank die Temperatur rapide ab. Uns klapperten die Zähne. Einer der Bewacher, ich habe nicht gesehen, wer, reichte mir ein Stück karierten Stoff, den er mir um die Hüften wickelte, an Stelle von Hosen. Das Hemd durfte ich anbehalten, dieses Hemd, das ich an dem Morgen, bevor wir nach Liboi aufbrachen, so sorgfältig ausgewählt hatte, das hellrosafarbene mit dem leichten Glanz. Es ist Annikas Lieblingshemd, sie nennt es das »Tuntenhemd«, kannst du nicht heute das Tuntenhemd anziehen?, sagt sie immer und lächelt mich mit ihrem breiten Mund an …

Weitere Kostenlose Bücher