Anonym - Briefe der Lust
geworden. Höchstens ein oder zwei leichte Erkältungen. Ich glaube, als Kind habe ich so viele Krankheiten durchgemacht, dass ich jetzt gegen alles immun bin. Im Universitätskrankenhaus haben sie mich den Unverwundbaren genannt, denn ganz egal, womit wir konfrontiert wurden, Magen-Darm-Infektionen, Husten, Schnupfen, Grippe … was auch immer es war, die anderen bekamen es normalerweise, ich nicht.“
„Wow. Du Glückspilz.“
Er ließ seine langen Finger erneut durch die Krümel in der Schüssel gleiten, und als er sie wieder herauszog, glänzten sie von der gesalzenen Butter. Er leckte einen Finger nach dem anderen ab, und ich sah ihm dabei zu. Hätte ich den Eindruck gehabt, dass er das machte, um mich zu verführen, wäre ich verärgert gewesen, aber Eric erweckte nicht den Eindruck, als sei ihm die Wirkung seines Verhaltens bewusst. Er schien auch nicht zu ahnen, dass ich bei seinem Anblick sofort schmutzige Gedanken hatte.
„Ja. Eine erstaunliche Sache.“ Er hob die Schüssel hoch. „Möchtest du noch etwas?“
Ich schüttelte den Kopf. „Jedenfalls ist das eine interessante Geschichte. Weshalb du beschlossen hast, Arzt zu werden. Ist es so, wie du es dir vorgestellt hast?“
„Es ist nicht im Geringsten so. Nein“, erwiderte er in ausdruckslosem Ton.
Ich wartete, dass er fortfuhr. Es schien mir, als müsse noch mehr kommen, aber es kam nichts. Er betrachtete die Schüssel auf seinem Schoß. Dann fuhr er noch einmal durch die Popcornreste und leckte seine Fingerspitzen ab. Schließlich stellte er die Schüssel zurück auf den Couchtisch und sah mich an.
„Es ist eine riesengroße Verantwortung. Eine Menge, womit man fertig werden muss, verstehst du?“
Wirklich nachempfinden konnte ich das nicht. Nicht auf die Weise, wie er es meinte. Ich dachte an meinen eigenen Job und an Pauls Listen und daran, dass ich eigentlich für nichts wirklich geradestehen musste. Dass es in meinem Leben nichts gab, worum ich mich kümmern musste. Dass es so etwas auch niemals gegeben hatte. Selbst während meiner Ehe. Was hatte ich jemals getan, außer mich um mich selbst zu kümmern?
„Aber Monty Python macht es erträglicher?“
Eric lachte und senkte für einen Moment seinen Kopf, bevor er mich wieder anschaute. „Ich bin froh, dass es dir gefallen hat.“
„Es ist ein Klassiker. Was gibt es daran nicht zu mögen?“ Eric zuckte mit den Schultern und lehnte sich wieder auf der Couch zurück. Dabei streckte er einen Arm auf der Rückenlehne aus. Mit seinen Fingerspitzen hätte er meine Schulter berühren können, wenn er sich nur ein winziges Stück gestreckt hätte. Keiner von uns bewegte sich.
„Einige der Frauen, die ich kennengelernt habe … die meisten von ihnen, wenn ich es recht überlege, verstehen Monty Python nicht. Sie mögen die Filme nicht.“ Er schüttelte den Kopf. „Als du sagtest, dass sie dir gefallen, war ich mir nicht sicher, ob das wirklich stimmt.“
Ich musterte sein Gesicht. Viele kleine Dinge waren geschehen, bis wir hier gelandet waren. Zu viele Dinge, um sie als Zufälle zu betrachten. Es gab einen Grund dafür, dass ich hier war, das sagte mir mein Bauch.
„Du dachtest, ich würde lügen?“ Ich rutschte zwar nicht dichter an ihn heran, aber ich wandte ihm meinen Körper zu. „Warum hätte ich das tun sollen?“
Er lachte verlegen und kratzte seinen Hinterkopf. „Ich habe nicht behauptet, dass du gelogen hast. Nur, dass du vielleicht …“
„Gelogen hast.“ Ich lachte ebenfalls. „Um dich zu beeindrucken vielleicht?“
Eric senkte den Kopf, warf mir aber einen Blick zu. „Etwas in der Art. Ich weiß nicht.“
Heute wirst du dir darüber bewusst sein, dass du stark und schön bist.
Die Anweisung hatte ihm gegolten, aber ich hatte mich auch danach gerichtet. Nun wusste ich einiges über das, was er während der vergangenen paar Wochen getan hatte, er jedoch wusste so gut wie nichts über mich.
Was mir ein gewisses Gefühl von Macht verlieh.
„Du hast eine furchtbar hohe Meinung von dir, Eric.“ Meine Stimme klang plötzlich anders. Tief und verführerisch. Es war die Stimme einer Frau, die immer gewusst hatte, dass sie stark und schön ist, und ich sah, dass er es hören konnte.
Er setzte sich aufrechter hin. Seine veränderte Haltung war kaum wahrnehmbar, aber ich bemerkte es dennoch. „Du hast recht. Ich hätte das nicht annehmen sollen.“
Ich war mir nicht sicher, was der Ausdruck in Erics Augen zu bedeuten hatte. Ich wusste nur, dass ich noch nicht
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