Anonym - Briefe der Lust
trotzdem Spaß.“ Er hob einen Controller.
Und so kam es, dass wir Videospiele spielten, anstatt uns auf der Couch unter eine Decke zu kuscheln und zu hoffen, dass unsere Hände sich in der Popcornschüssel berühren würden. Eric hatte eine gefährliche Rückhand, aber er ließ mich trotzdem gewinnen. Wir lachten viel beim Spielen und unterhielten uns auf jene beiläufige Art, durch die man jemanden besser kennenlernt, ohne Themen zu berühren, die für ein erstes Date zu persönlich waren.
Falls das hier ein Date war. Ich hatte meine Zweifel. Abgesehen von den geputzten Zähnen, schien Eric nicht die Absicht zu haben, irgendwelche Annäherungsversuche zu machen, falls er das jemals vorgehabt hatte. Es war ziemlich lange her, seit ich mich getäuscht hatte, was die Pläne eines Typen betraf, aber es war nicht ausgeschlossen. Als wir uns schließlich beide auf seine glatte Ledercouch fallen ließen, gab Erics Lächeln mir keinen Hinweis, weder in die eine noch in die andere Richtung.
Ich war verwirrt, gelinde gesagt, und mein Selbstbewusstsein war erschüttert. Ich musste an meinen Ausflug zu „Sensations“ denken und daran, wie der Verkäufer mich behandelt hatte. Ich empfing keine schwulen Schwingungen von Eric, und wieso hätte er mich einladen sollen, wenn er auf Männer stand? Nein. Irgendetwas schien los zu sein, aber unglücklicherweise war es nicht sein Schwanz.
Ich entschuldigte mich, um in sein Bad zu gehen. Und ja, ich schaute in sein Medizinschränkchen. Jeder, der behauptet, das noch nie getan zu haben, ist ein Lügner oder hat vergessen, am Ende des Satzes ein „bis jetzt“ hinzuzufügen. Ich fand Rasiergel, Schmerztabletten, Zahnpasta und eine Riesenpackung Kondome. In dem Schrank unter dem Waschbecken entdeckte ich Toilettenpapier, Handtücher und einige Reinigungsmittel. Wie in seinem restlichen Apartment gab es offensichtlich auch in Erics Bad keine perversen Dinge.
Was eigentlich nicht so schrecklich erstaunlich war. Schließlich war mein eigenes Apartment auch nicht als frühmittelalterliche Höhle eingerichtet. Und es hatte in keinem der Briefe einen Hinweis gegeben, dass er auf Hardcore-Fesselspiele oder Schmerzen stand, es sei denn, ich war so auf meine eigene Lust fixiert gewesen, dass ich nicht zwischen den Zeilen gelesen hatte. Wer weiß, was die Nachrichten ihm bedeutet hatten?
Ich musste es herausfinden.
Er hatte den Film in den DVD-Player geschoben und ließ den Mais poppen, als ich wieder aus dem Bad kam. „Es ist nicht zu spät, oder?“ Er zeigte auf die Uhr. „Wir haben uns von dem Spiel mitreißen lassen. Tut mir leid.“
Er schenkte mir ein herzliches und ein wenig verlegenes Lächeln. Ich wollte ihn streicheln, wollte ganz dicht neben ihm sitzen und ihm unanständige Worte ins Ohr flüstern, die ihn zum Erröten brachten. Und, wie mir mit nur leisem Unbehagen klar wurde, ich wollte ihn wieder auf den Knien sehen.
„Nein. Es ist in Ordnung. Ich bin in der Stimmung für einen Film.“
„Toll! Danke, dass du Popcorn mitgebracht hast.“ Mit einer fließenden Bewegung sprang Eric über die Rückenlehne der Couch und ging zur Küchenzeile. „Was möchtest du trinken? Limonade? Bier?“
„Limonade wäre gut.“ Ich sah zu, wie er den Beutel aus der Mikrowelle nahm, den Inhalt in die Schüssel gab und zwei Dosen Cola aus dem Kühlschrank holte.
„Ist Cola okay?“
Nie zuvor hatte ich einen so zuvorkommenden Mann kennengelernt. „Sicher.“
„Ein Glas? Eis? Ich könnte eine Zitrone für dich aufschneiden.“
Ich verlor die Beherrschung und fing an zu lachen. „Ich könnte auch einfach aus der Dose trinken.“
„Falls es das ist, was du am liebsten magst.“ Lächelnd hielt Eric die Dose hoch. „Das erspart mir das Abwaschen.“
Er kam mit den Getränken und dem Popcorn zu mir herüber und wartete, bis ich mich gesetzt hatte, bevor er sich ebenfalls niederließ. Ich dachte an Austin, der mit hochgelegten Füßen auf der Couch sitzen geblieben wäre und mir zugerufen hätte, ich solle ihm ein Bier bringen. Das hier war zweifellos eine nette Abwechslung, selbst wenn es mich mehr als ein bisschen aus dem Gleichgewicht brachte.
„Ich bin gleich wieder da.“ Eric sprang auf und verschwand im Bad.
Ich nutzte die Gelegenheit, im Zimmer herumzuwandern und mich umzuschauen. Auf dem Beistelltisch standen gerahmte Fotos, ebenso auf den Bücherregalen aus unbehandeltem Holz, die aussahen, als hätte er sie selber gemacht, die aber wahrscheinlich von Ikea stammten.
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