Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte
unwahrscheinlich, dass wir einen Frauenarzt finden, der Rita behandelt und ihre Schwangerschaft für sich behält. Darum müssen wir vorsichtig sein.
Der Vorstoß für die Bürgerrechte der Zombies hat ein gesellschaftliches Beben ausgelöst, dessen Schockwellen sich im ganzen Land ausgebreitet und Löcher in die kulturellen Strukturen gerissen haben. Aber Zombies, die sich fortpflanzen, würden ein Beben der Stärke zehn auf der nach oben offenen Richterskala auslösen.
Trotzdem können wir nicht warten, bis die Gesellschaft bereit dafür ist. Rita und ich müssen an die Zukunft denken - an Altersvorsorge und Studiengelder, daran, ob wir Stoff- oder Einwegwindeln benutzen wollen. Doch zunächst müssen wir eine Möglichkeit finden, unseren Lebensunterhalt zu verdienen.
Mein zweiter Besuch auf dem Sozialamt verlief nicht viel besser als der erste, nur dass man diesmal nicht auf mich geschossen hat. Wenigstens hat Garry, der Wachmann, sich bei mir entschuldigt, bevor er mich um ein Autogramm auf seinem Halfter gebeten hat. Als er wissen wollte, was mit meinen Schussverletzungen passiert ist, habe ich ihm erklärt, dass ich einen guten Maskenbildner habe.
Die Tatsache, dass meine Wunden verheilen, lässt sich immer schwerer verbergen, darum musste ich meinen Menschenfleischkonsum einschränken. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass ich deswegen ein wenig gereizt bin.
Außerdem habe ich es immer noch nicht geschafft, meine Sozialversicherungsnummer zu reaktivieren.
Keine Ahnung, was ich erwartet habe. Gesellschaftliche Veränderungen finden nicht über Nacht statt. Doch wenn man bedenkt, wie viele Fortschritte wir in den letzten Wochen erzielt haben, ist es eine Enttäuschung, dass ich nicht in der Lage bin, den Lebensunterhalt für meine Familie zu verdienen. Und angesichts der anstehenden Interviews bei Letterman, Leno und Oprah denke ich an nichts anderes als an den Verdienst, der mir dabei entgeht.
Rita meint, ich solle mir keine Sorgen machen, und dass alles gut wird, dass die Aufmerksamkeit, die man mir entgegenbringt, wichtiger ist als irgendein finanzieller Verlust, doch ich werde das Gefühl nicht los, dass man mich ausnutzt.
»Okay, nehmt bitte alle Platz«, sagt Helen. »Wir haben heute Abend eine Menge wichtiger Dinge zu besprechen, darum lasst uns zur Sache kommen.«
Helen wischt die Botschaft an der Tafel ab und schreibt das Thema des heutigen Treffens an:
WIE MAN RICHTIG MIT DEN MEDIEN UMGEHT.
Naomi und Carl haben einen Termin bei Conan O’Brian, Jerry rührt in der Daily Show die Werbetrommel für seine Sixtinische Kapelle aus Playboy-Playmates, und Tom ist der erste Kandidat in Extreme Makeover: Zombie Edition . Während Zack und Luke eine Anfrage haben für eine bevorstehende »Ghuls gegen Trottel«-Folge von Fear Factor .
Ich würde mein Geld auf die Ghuls setzen.
Im ganzen Land treten Zombies jetzt in Talkshows und Fernsehsendungen auf, in Nachrichtenmagazinen und in Werbespots, in denen sie alles vom Beerdigungsinstitut bis zum Deo anpreisen. Einige Firmen haben sogar angefangen, die Zombies selbst zu vermarkten - mit Actionfiguren, Sammelkarten und T-Shirts mit der Aufschrift »Bist
du Zombie?«. Und ich habe gehört, dass McDonald’s ein Zombie Happy Meal neu im Angebot hat.
Wir rechnen alle damit, dass sich der frische Charme von Zombies als Medienlieblingen irgendwann verbraucht, aber man kann nie wissen. Ich dachte auch, dass das Interesse an Reality Shows schließlich nachlässt, doch inzwischen gibt es mehr als sechzig davon, von Amazing Race bis zu Zombie Life , die demnächst auf Sendung geht. Wer weiß? Vielleicht habe ich in fünf Jahren meine eigene Talkshow.
Doch wird man mich dafür bezahlen?
»Andy«, sagt Helen. »Würdest du gerne die Sitzung leiten?«
Ich erhebe mich und trete an die Tafel, dann drehe ich mich zu den anderen Mitgliedern um. Jerry, Beth, Tom und Naomi applaudieren, während Carl und Leslie lachen und Rita mir liebevoll zuzwinkert. Mir kommen gleich die Tränen. Es ist das erste Mal, dass ich mich auf einem Treffen an die Gruppe wende, ohne auf visuelle Hilfsmittel angewiesen zu sein.
Während ich die anderen betrachte, muss ich daran denken, wie ich das erste Mal an einem Treffen der Anonymen Untoten teilgenommen habe, im August, als ich mich gerade von dem Schock erholte über das, was mit mir geschehen war. Damals waren wir lediglich zu fünft - Helen, Naomi, Carl, Tom und ich. Und die Zukunft sah trostlos aus. Wir hatten den Glauben an
Weitere Kostenlose Bücher