Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte
Talkshow oder einer Werbung für Deo, die Zombies in einem positiven Licht erscheinen lässt, doch überall stoße ich auf dieselbe Botschaft, immer und immer wieder: Unserem Ziel, als Mitglieder der Gesellschaft akzeptiert zu werden, sind wir kein Stückchen nähergekommen.
Wenn überhaupt, ist diese Möglichkeit in noch weitere Ferne gerückt. Bevor wir zum gesellschaftspolitischen Thema wurden, hat man uns wenigstens geduldet. Sicher, hin und wieder wurde einer von uns zerstückelt oder an der Stoßstange eines Geländewagens durch die Stadt gefahren, doch meistens haben die Atmer versucht, so zu tun, als würden wir überhaupt nicht existieren. So wie Obdachlose.
Oder Geschlechtskrankheiten.
Und jetzt haben wir alle auf uns aufmerksam gemacht, ihnen vor Augen geführt, dass wir sehr wohl eine Wahl haben, und darüber sind sie nicht gerade erfreut. Nicht, dass sie uns nicht zuhören wollen. Sie sind vielmehr wütend darüber, dass wir die Dreistigkeit hatten, für unsere Interessen einzutreten.
»Das sind nichts weiter als Tiere.«
»Pitbulls mit opponierbaren Daumen.«
»Keine Menschen.«
Im Fox News Report gibt der Sprecher seine angemessene und ausgewogene Meinung über Zombies zum Besten, und ehe ich mich’s versehe, erscheint ein Foto von meinem Gesicht auf der Fläche über seiner Schulter. Sekunden später teilt sich das Bild, und mein Therapeut starrt mich aus dem Fernseher an.
Es ist schon komisch, Teds Gesicht auf diese Weise zu betrachten. Sonst sehe ich ihn nur bei Kunstlicht, nach einem kurzen Blick über die Schulter. Doch auf dem Zweiundfünfzig-Zoll-HDTV-Flachbildschirm meiner Eltern, mit seinem kräftigen, farbenfrohen, gestochen scharfen Bild, sieht Ted noch plastikmäßiger, noch künstlicher, noch faltenfreier aus. Vielleicht liegt es auch am zusätzlichen Make-up und der Beleuchtung. Oder er hatte ein weiteres Gesichtspeeling.
Zunächst erklärt Ted, wie es ist, einen Zombie zu therapieren; das muss er in einem Buch gelesen haben, denn mich hat er nie wirklich behandelt. Er redet und redet; das geht so ein paar Minuten, und ich will schon umschalten, als er auf mich und unsere Sitzungen zu sprechen kommt - auf meinen Geruch, meinen Gang und darauf, dass ich alles auf eine Schreibtafel kritzeln musste.
Und mir wird klar, dass ich gewaltigen Ärger kriegen könnte.
Er redet weiter, schildert sämtliche Einzelheiten unserer Sitzungen - meinen ganzen Schmerz, meine ganzen Schuldgefühle, meine ganze Hoffnungslosigkeit. Dann erzählt er, wie sich das alles geändert hat, wie ich immer selbstsicherer, kämpferischer, selbstständiger wurde.
Was ist aus dem Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient geworden?
Ich frage mich, wie schlimm es werden kann. Ob ich Ian anrufen muss. Ob ich eine Pressekonferenz anberaumen muss. Ob ich die Situation entschärfen kann, bevor mir alles um die Ohren fliegt.
Ich frage mich, ob ich die Sache aus der Welt schaffen kann, indem ich so tue, als hätte ich all die Monate nur Theater gespielt. Meine Rolle als perfekter Zombie. Als eine Art soziologisches Experiment.
Ich mustere Ted, wie er mit seinem selbstgefälligen Grinsen, seinem albernen goldenen Ohrring und seinem gefärbten Haar sein Herz über mich ausschüttet, und ich frage mich …
Vielleicht gibt es auch noch eine andere Möglichkeit.
KAPITEL 54
Ted lächelt mich mit seinem aufgesetzten, falschen Plastikgrinsen an. Es ist über einen Monat her, dass ich ihm von Angesicht zu Angesicht gegenübergesessen habe, aber ich glaube, er hat sich die Zähne bleichen lassen.
»Hallo, Andy«, sagt er. »Was für eine angenehme Überraschung.«
Eine Überraschung? Ja.
Angenehm? Vielleicht so angenehm wie ein wandernder Nierenstein.
Sonst ist niemand in Teds Praxis. Die Sprechstundenhilfe ist bereits nach Hause gegangen. Und sein letzter Klient hat vor zehn Minuten die Praxis verlassen.
»Wie ist es Ihnen ergangen?«, fragt er.
»Ich hatte viel zu tun«, sage ich.
Er starrt mich von seinem Schreibtisch aus an, immer noch lächelnd, schließlich wandert sein Blick von mir zum Telefon auf seinem Tisch und dann zu der roten Digitaluhr an der Wand.
… neununddreißig … vierzig … einundvierzig …
»Ja«, sagt er schließlich. »Ich habe Sie im Fernsehen gesehen. Es ist schon erstaunlich, wie Sie sich erholt haben.«
»Ich ernähre mich nur richtig.«
Ted gefriert das Grinsen im Gesicht, und neben seinen Mundwinkeln kommen mehrere Falten zum Vorschein. Ist wohl Zeit für seine
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