Anonyme Untote - Eine Zombie-Liebesgeschichte
Beringer mir soeben mehrere Kisten ihres 2001er Private Reserve Cabernet Sauvignon geschenkt hat und fragen lässt, wohin sie geliefert werden sollen? Außerdem erklärt er mir, dass Katie Couric erneut am Handy ist und wissen will, ob ich das Gespräch entgegennehme?
»Ich kann jetzt nicht«, sage ich. »Ich habe gleich eine Schaltung zu Larry King Live .«
In den letzten drei Tagen hatte ich per Satellitenübertragung Live-Auftritte bei CNN, Good Morning America , Live with Regis and Kelly , CNBC, der Best Damn Sports Show und Howard Stern. Howard hat mich sogar gebeten, nochmal mit Rita vorbeizukommen, sobald ich nicht mehr des Mordes an meinen Eltern verdächtigt werde, denn er wollte schon immer einen Liebesakt zwischen zwei Zombies live in seiner Sendung ausstrahlen. Ich habe gesagt, dass ich mir die Sache durch den Kopf gehen lasse.
»Okay, Leute«, sagt der Regisseur. Oder ist es der Produktionsassistent? Ich weiß nur, dass ich mehr Make-up trage als Elizabeth Taylor in Cleopatra . »Wir haben noch drei Minuten, bis wir auf Sendung gehen, in zwei Minuten muss jeder einsatzbereit auf seiner Position sein.«
Ich kann spüren, wie die Abdeckfarbe und das Puder auf meiner Haut zusammenpappen, doch die Maskenbildnerin trägt noch mehr auf. Und sie verteilt es in die falsche Richtung. Außerdem sehe ich mit dem Kajal, den sie benutzt, aus wie eine Las-Vegas-Nutte. Ich hätte große Lust, sie zu beißen, doch damit wäre das Interview mit Larry King wahrscheinlich gestorben.
Anfangs wollten die Nachrichtensendungen und Talkshows mich nur wegen des Hypes für ein Interview buchen, und weil ich ihnen einfach etwas Neues geboten habe. Obwohl die Untoten als Gesundheitsrisiko gelten und von der Mehrheit als öffentliches Ärgernis betrachtet werden, bedeutet ein Interview mit einem Zombie hohe Einschaltquoten. Also wollte dabei niemand zurückstehen.
Nachdem jedoch jetzt die amerikanische Bürgerrechtsunion eine Sammelklage im Namen der Untoten eingereicht hat, in der sie geltend macht, dass unsere Bürgerrechte seit Jahrzehnten mit Füßen getreten wurden, bekomme ich Anrufe von Newsweek und dem Rolling Stone , Matt Lauer und FOX News. Als ob ich FOX je ein Interview geben würde. Sie sind so fair und ausgewogen wie eine Grillparty des Ku-Klux-Klans.
Offensichtlich haben sich der Klan, die American Medical Association, der Dachverband der Gewerkschaften, die Republikaner und Dutzende rechter religiöser Gruppen zusammengeschlossen, um gegen die Behauptung der
Bürgerrechtsunion vorzugehen, dass uns als ehemaligen Atmern das Recht auf Leben, Freiheit und Eigentum ohne ordentliches Gerichtsverfahren genommen wurde.
Meiner Petition sei Dank.
Zugegeben, das Recht auf Leben und Freiheit umfasst nicht den Verzehr von lebenden Menschen, doch man kann nicht erwarten, dass Atmer und Zombies bei allem einer Meinung sind.
»Noch zwei Minuten, Leute!«
Auch wenn die meisten einflussreichen Persönlichkeiten Stellung gegen die Bürgerrechtsunion bezogen haben, gibt es in der Geschichte Präzedenzfälle, die die Klage stützen. Schließlich wurden auch Afroamerikaner früher als Objekte und nicht als menschliche Wesen angesehen. Sicher, wir Zombies wurden nie versklavt, aber die Parallelen sind kaum zu übersehen.
Wir werden von einer Gesellschaftsschicht gedemütigt, die uns als minderwertig betrachtet.
Wir werden zu Unterhaltungs- und Forschungszwecken ausgebeutet.
Oft werden wir zum Spaß aufgehängt und gefoltert.
Und wenn ich unsere Lage schon mit der Misere der Afroamerikaner vergleiche, war das damals ja nur der Anfang.
Verdammt, vor weniger als einem Jahrhundert hatten Frauen nicht mal das Wahlrecht. In den 1940ern wurden Amerikaner japanischer Abstammung zusammengetrieben und in Lagern interniert. Später folgte der Kampf der Schwulen und Lesben für ihre Bürgerrechte. Und um die Jahrhundertwende, nach dem 11. September, wurden Moslems schikaniert und nur aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit erkennungsdienstlich erfasst.
Zombies sind nur die Letzten in einer langen Reihe von Leuten, die von der Führungsschicht unterdrückt wurden. Natürlich hat das andere Minderheiten nicht davon abgehalten, uns ebenfalls zu diskriminieren, was ungefähr so viel Sinn ergibt wie ein David-Lynch-Film.
»Noch eine Minute!«
Man entfernt mein Schminklätzchen, und die Scheinwerfer werden ein letztes Mal ausgerichtet, dann nimmt jeder seine Position ein, während der Regisseur alle lauthals um Ruhe bittet.
Ich trage
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