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Ans Glueck koennte ich mich gewoehnen

Ans Glueck koennte ich mich gewoehnen

Titel: Ans Glueck koennte ich mich gewoehnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Schilling-Frey
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ich wirklich? Lebe ich wirklich so, wie ich bin? Diese Fragen oder ähnliche stellen wir uns nicht nur einmal im Leben. Wenn wir nach unserem Ich fragen, fragen wir nach unserem Wesen, nach unserem Kern. Wir fragen nach dem, was uns eigentlich ausmacht. Schon viele Philosophen, Denker wie Martin Heidegger oder Sören Kierkegaard, waren der Überzeugung, dass sich das Wesen, das Eigentliche des Menschen nicht einfach so zeigt. Der Mensch ähnelt eher einer Zwiebel als einer Nuss: Er hat keinen Wesenskern, sondern viele übereinanderliegende Schalen und Schichten. Friedrich Nietzsche zog daraus den Schluss, dass der Mensch kein feststehendes Wesen hat, sondern immer irgendwie unfertig ist, also an sich selbst arbeiten muss und sich auch immer verändern wird.
    Selbst wenn sich der Mensch verändert und alles im Fluss ist, verlangt Nietzsche vom Menschen Authentizität. Wenn der Mensch aber kein feststehendes Wesen ist und auch keinen unveränderlichen Kern hat, was könnten dann die Grundlagen für ein authentisches Leben sein? Heute geht man davon aus, dass die Voraussetzungen für Authentizität im Ich- oder Selbstbewusstsein liegen. Schon im Embryonalstadium beginnt sich eine Persönlichkeit, ein Ich, zu entwickeln, indem das limbische System entsteht. Kommt das Baby auf die Welt, tritt sein Gehirn in Kontakt mit der Außenwelt, verringert dabei die Zahl der Nervenzellen und ummantelt gleichzeitig die Leiterbahnen. Es bildet sich im Alter von 18 bis 24 Monaten ein Ich-Gefühl. Kleinkinder können sich auf Fotos selbst erkennen und sagen im Alter von etwa drei Jahren »Ich« zu sich selbst. Der Mensch lernt sich selbst von der Welt zu unterscheiden und entwickelt mit der Zeit ein autobiografisches Gedächtnis, um seine eigene Geschichte rekonstruieren und konstruieren zu können, um zu einer personalen Identität zu gelangen. Das sogenannte Selbstsein bildet sich demnach aus dem Selbst- beziehungsweise Ichbewusstsein und der personalen Identität.
    Wenn wir heute Hirnforscher wie Wolf Singer bitten, uns unser Ich auf einem Monitor, der Hirnaktivitäten misst, zu zeigen, muss er leider passen. Denn es gibt offensichtlich keinen einzelnen Ort, an dem alle Informationen zusammenlaufen: Das Gehirn gleicht eher einem dezentral organisierten System, an dem an vielen Stellen gleichzeitig visuelle, auditorische oder motorische Teilergebnisse erarbeitet werden. Auf recht geheimnisvolle Weise koordiniert das Gehirn diese Teilergebnisse zu einer zusammenhängenden Deutung der Welt. Dieses System deutet jedoch nicht nur die Welt, sondern führt auch über sich selbst Protokoll und wird damit seiner selbst bewusst. Weitgehend übereinstimmend gehen heute Hirnforscher, Philosophen und auch Psychologen davon aus, dass dem Menschen wohl kein Wesen, keine Seele und kein Selbst zugrunde liegen, das über die Zeit hinweg identisch bleibt. Allerdings gibt es sehr wohl das erlebte Ich-Gefühl und auch die verschiedenen, ständig wechselnden Inhalte des Selbstbewusstseins.
    Aber auch dann, wenn wir keinen Kern, kein feststehendes Wesen haben, haben wir ein schillerndes, vielschichtiges und multi-perspektivisches Ich. Denn in der Hirnforschung wird nicht bewiesen, dass es kein Ich gibt. Es wird nur bewiesen, dass unser gefühltes Ich ein unheimlich komplizierter Vorgang in unserem Gehirn ist. Hirnforscher weisen auch immer wieder darauf hin, dass sie als Wissenschaftler stets aus der »Dritte-Person-Perspektive« urteilen. Damit sind Untersuchungsgegenstand und Untersuchender niemals identisch. Wolf Singer gibt zu, dass es Phänomene in der subjektiven »Erste-Person-Perspektive« gibt, die in der naturwissenschaftlichen Beschreibungsweise der »Dritte-Person-Perspektive« nicht existieren, so das erlebte Ich-Gefühl. Es bleibt dahingestellt, ob wir es jemals wissenschaftlich ergründen.
    Dass wir Menschen mehr einer Zwiebel denn einer Nuss gleichen, macht das Menschsein nicht gerade leichter. Hätten wir diesen Wesenskern, könnten wir versuchen, einmal in unser Inneres zu schauen, um uns selbst zu erkennen, um uns davon ausgehend ein glückliches und erfülltes Leben aufzubauen. Das müsste dann eigentlich ein Leben lang halten.
    Es ist wohl nicht vorherbestimmt, was ein Mensch ist. Eher können wir erst am Ende eines Menschenlebens sagen, dass der Mensch das gewesen ist, was er angesichts seiner Lebensumstände aus sich machte. Deshalb können wir uns weniger auf einen bestimmten Wesenskern beziehen, sondern wir bemessen Authentizität

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