Ans Glueck koennte ich mich gewoehnen
macht den »gelebten Augenblick« Nietzsches so wertvoll? Schauen wir uns an, wie so ein »gelebter Augenblick« wissenschaftlich erklärt wird.
Die Entstehung des gelebten Augenblicks
Der Philosoph und Bewusstseinsforscher Thomas Metzinger beschreibt in seinem Buch Der Ego-Tunnel , wie ein gelebter Augenblick im Menschen entsteht. Es ist das Bewusstsein, das dem Organismus mitteilt, welche Zeit jetzt ist. Jeder Mensch verfügt über einen Zeittunnel, wie Metzinger dies nennt: Dieser Zeittunnel bestimmt, wie Zeit subjektiv erlebt wird.
Seit Jahrhunderten fragen sich Philosophen, was es mit der Zeit auf sich hat, was Zeit ist. Metzinger sagt dazu: »Bewusstsein ist Innerlichkeit der Zeit.« Die erlebte Zeit macht die Welt für uns gegenwärtig. Denn alles, was wir erleben, erleben wir, als ob es in genau diesem Moment geschehe. Aufgrund unserer alltäglichen Erfahrungen sind wir der Meinung, dass Zeit auch unabhängig der bewussten Wahrnehmung von Objekten, das heißt ohne uns Menschen, ganz objektiv existiert. Neue Erkenntnisse der Hirnforschung, Molekularbiologie und Psychologie zeigen jedoch, dass Wahrnehmung, Gedankenprozesse, Erinnerungen, Zeitgefühl und Bewusstsein so eng miteinander verknüpft sind, dass ein getrenntes Erleben eigentlich nicht möglich ist. Damit treten Zeit, Gedanken und menschliches Bewusstsein nur gemeinsam in Erscheinung. Daraus folgt, dass die Vorstellung einer objektiven Zeit lediglich die Vorstellung einer Identität ist, die auf Erinnerungen basiert und nach Sicherheit und Kontinuität strebt. Natürlich können wir auch an Vergangenes denken oder Zukunftspläne schmieden, aber alle Gedanken der Vergangenheit oder der Zukunft sind immer in ein bewusstes Modell des Selbst eingeordnet. Denn dieses Selbst ist es, das gerade jetzt, in diesem Augenblick, an den letzten Urlaub in Griechenland denkt und daran, wie wir am Meer gesessen haben, um den Sonnenuntergang zu genießen.
Für den menschlichen Organismus ist es wichtig, in Kontakt mit der unmittelbaren Umgebung zu bleiben. Vor allem dann, wenn wir nicht genau wissen, was als Nächstes passieren wird und dementsprechend nicht wissen, welche Fähigkeiten wir brauchen. Denn viele Teile der menschlichen Informationsverarbeitung laufen unbewusst ab. Die bewussten Informationen werden mit Gedächtnis- und Wahrnehmungsinhalten abgeglichen, um schließlich motorische oder sprachliche Aktionen auszulösen. Unbewusste Informationen sind jedoch wissensunabhängig und können damit auch nicht sprachlich artikuliert werden, selbst wenn sie ohne unser Wissen Reaktionen auslösen können.
Halten wir also fest: Um adäquat auf unsere Umgebung reagieren zu können, müssen wir bestimmte Dinge bewusst wahrnehmen. Dazu benötigen wir so etwas wie das »Jetzt«: eine zentrale Stelle, von der aus die verschiedenen Botschaften an die spezialisierten Hirnsysteme übermittelt werden können. Da es diese ausgehende Schaltzentrale in unserem Gehirn nicht gibt, wird sie in unserem Gehirn simuliert. Und diese Simulation ist die Zeit. So etwas wie das »Jetzt« gibt es wohl in der Außenwelt nicht. Trotzdem hat es sich durchaus als vorteilhaft erwiesen, so etwas wie ein inneres Modell der Welt um dieses »Jetzt« herum zu organisieren. Durch die Schaffung des gemeinsamen zeitlichen Bezugsrahmens »Jetzt«, können die verschiedenen Mechanismen des Gehirns auf dieselben Informationen gleichzeitig zugreifen. Das Jetzt ist ein bestimmter Punkt in der Zeit, der als »Wirklichkeit« gekennzeichnet ist.
Dieses Jetzt gibt es im Grunde nur im Menschen, aber nicht in der Außenwelt. Den Augenblick, den Moment, erleben wir subjektiv. Alles, was wir bewusst denken und fühlen, denken und fühlen wir in genau diesem gelebten Augenblick. In diesem Moment erleben wir aber auch Dauer, denn ein bestimmter musikalischer Ton oder ein bestimmtes Gefühl kann nur für einen gewissen Zeitraum konstant bleiben. Dieses sogenannte Gegenwartsfenster ist in seiner Kapazität jedoch begrenzt.
Damit wir überhaupt bewusst erleben können, benötigen wir Gegenwartsfenster beziehungsweise Gegenwart, denn Gegenwärtigkeit schafft einen inneren Raum für das Zeiterleben, obwohl wir nie in direktem Kontakt mit der Gegenwart sind. Das klingt hochphilosophisch, ist aber auf neuronale Prozesse zurückzuführen: Signale aus der Umwelt benötigen Zeit, um von den Sinnesorganen über Neurone ins Gehirn vorzudringen. Dort braucht es wiederum Zeit, um sie verarbeiten und in Handlungen verwandeln zu
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