Ans Glueck koennte ich mich gewoehnen
und höhergestellten Menschen, gut und im Gegensatz dazu die ohnmächtigen, niederen und pöbelhaften Menschen schlecht waren. Diese Einteilung stellte kein Problem dar, da dem »gut« oder »schlecht« keinerlei Wertung zugrunde lag. Jeder wird in den einen oder anderen Rang hineingeboren und lebt sein Leben friedlich an dem für ihn vorgesehenen Platz.
Doch was passiert dann in dieser Idylle der Gut- und Schlechtplatzierten? Da gibt es ein paar wenige unter den Schlechten und Ohnmächtigen, die die Guten für Ihre Macht zu hassen beginnen. Dieser Hass ist ein Gefühl des Ressentiments , ein Akt der geistigen Rache, der eine Umwertung der Klassen mit sich bringt. Und just in diesem Moment ist es passiert: Das Zeitalter der Moral beginnt!
Auf einmal wird alles umgedreht: Die ehemals Schlechten und Ohnmächtigen ernennen sich selbst zu den Guten und Mächtigen. Was vorher Rang und Platz war, ist jetzt Wert und Moral. Dazu schreibt Nietzsche in der ersten Abhandlung seiner Genealogie der Moral : »Die ›Wohlgeborenen‹ fühlten sich eben als die ›Glücklichen‹; sie hatten ihr Glück nicht erst durch einen Blick auf ihre Feinde künstlich zu konstruieren, unter Umständen einzureden, einzulügen (wie es alle Menschen des Ressentiments zu tun pflegen); und ebenfalls wussten sie, als volle, mit Kraft überladene, folglich notwendig aktive Menschen, von dem Glück das Handeln nicht abzutrennen – das Tätigsein wird bei ihnen mit Notwendigkeit ins Glück hineingerechnet – alles sehr im Gegensatz zu dem ›Glück‹ auf der Stufe der Ohnmächtigen, Gedrückten, Schwärenden, bei denen es wesentlich als Narkose, Betäubung, Ruhe, Frieden, ›Sabbat‹, Gemüts-Ausspannung und Gliederstrecken, kurz passivisch auftritt.« 31
Nietzsche war sich ganz sicher, dass es neidische und rachsüchtige Menschen waren, die die Moral in die Welt brachten: Priester, die rachsüchtig auf die von Geburt Mächtigen blickten, die Werte umdrehten und damit die Welt und deren Menschen ins moralische Unglück stürzten. Für ihn ist es die Moral, die uns Menschen daran hindert, glücklich zu sein. Unter dem Deckmantel der Moral versuchen Menschen durch Vorschriften andere Menschen zu unterdrücken. Diese Unterdrückung beschränkt Menschen in deren Freiheit, und unfreie Menschen können nicht von Glück sprechen. Woher aber kommt nun die Moral? Was wissen wir heute davon? Ist sie angeboren? Macht Moral glücklich oder doch eher unglücklich?
Bringt die Evolution Moral hervor?
»Im Niokolo-Nationalpark des Senegals musste die Auswilderung ehemals gefangen gehaltener Schimpansen abgebrochen werden, nachdem wilde Artgenossen in Vollmondnächten des Jahres 1977 die Station überfallen hatten. Zuerst jagte ein eingeborener Schimpansenmann das mühsam wieder an die Wildnis gewöhnte Weibchen Tina aus seinem Schlafnest und trollte sich erst, als ihm ein brennender Span vorgehalten wurde. Sieben Monate darauf, wiederum in einer hellen Vollmondnacht, überfielen vier eingeborene Menschenaffen das Lager. Von Geschrei und Gekläff alarmiert, fanden die Feldassistenten vier ihrer Schützlinge, teils schwer verletzt, zusammengekauert und kreischend vor der Haustür.« 32 So schreibt der Primatenforscher Volker Sommer in seinem Buch Darwinisch denken. Horizonte der Evolutionsbiologie .
Auch die Primatenforscherin Jane Goodall musste die Erfahrung machen, dass Schimpansen nicht so harmlos sind, wie sie anfangs glaubte: Schimpansen bewohnen nicht nur ein Territorium, sondern sie verteidigen es aktiv. Dabei werden nicht nur Eindringliche verscheucht, sondern es geht offenbar auch darum, das eigene Wohngebiet auf Kosten von schwächeren Nachbarn zu vergrößern. Nichtsdestotrotz durfte die junge Jane Goodall auch eine ganz andere Seite ihrer Schützlinge beobachten. In Ein Herz für Schimpansen. Meine 30 Jahre am Gombe-Strom beschreibt sie, wie ein junges Schimpansenmännchen nach dem Tod seiner Mutter erst völlig lethargisch wurde, Nahrung verweigerte und schließlich, ohne äußerlich erkennbaren Grund, starb. Kaum zu glauben, dass es sich in beiden Geschichten um dieselben Artgenossen handelt.
Hören wir die Geschichte der Affen in unserer ersten Geschichte, liegt es nahe zu glauben, dass böse Verhaltensformen schlechthin nicht, wie Nietzsche meinte, von Menschen gemacht ist. Grausamkeit, Rache, Ressentiment und Neid scheinen evolutionär in Mensch und Tier verankert zu sein. Verhaltensweisen, positive wie negative, können zu einem großen
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