Ansichten eines Hausschweins - Neue Geschichten ueber alte Probleme
Freundschaft würde ich ihm den Fisch persönlich mit Currywurst fillen.
Der dritten Sorte schreibe ich, dass auch das deutsche Volk besondere Talente besitze. Die Deutschen seien zum Beispiel, wie die ganze Welt weiß, besonders gut beim Sex. Die Deutschen hätten ja bekanntlich auch diese riesigen Geschlechtsteile. Deswegen sei ich extra aus Tel Trumpeldor nach Neukölln übersiedelt, und ich würde freiwillig all meinen Humor dahingeben, der ja nur Sublimierung sei, wenn ich dafür nur einen Monat lang die gleichen sexuellen Fähigkeiten bekommen dürfte wie ein Deutscher.
Es ist niemals ein zweiter Brief gekommen.
Beim nächsten Laubhüttenfest werde ich am Alexanderplatz eine Laubhütte in Gestalt einer bayerischen Barockkapelle errichten und »Hava Nagila« jodeln. Dazu gibt es eine siebenarmige Laugenbrezel, denn ich stehe zwischen den Kulturen.
Über Kabarett
Als ich las, dass Privatdetektive im Auftrag einer Illustrierten das Liebesleben von Politikern überwachen, fiel mir ein, dass ich vor Jahren einmal in der Jury eines Kabarettpreises war. Das kam mir damals extrem seltsam vor. Ich kann Kabarett nicht leiden, außer Gerhard Polt, der meiner Ansicht nach eher ein Komiker ist. Das hatte ich der Dame vom Preiskomitee am Telefon auch gesagt. Sie meinte, es sei egal. Na gut, fuhr ich also hin, die Kabarettisten waren mal besser, mal schlechter, einer von ihnen hat am Ende den Preis gekriegt.
Da vorne steht also, fast immer, ein Mann. Dieser Mann macht Witze – mal bessere, mal schlechtere – über Politiker oder politische Vorgänge. Er ist der klassische Besserwisser. Er tut so, als ob er das Regieren besser hinkriegen könnte als, sagen wir, Angela Merkel. Der Kabarettist steht auf einem erhöhten Beobachtungsposten, betrachtet das zu seinen Füßen stattfindende Gewimmel des politischen Geschäftes und verteilt Noten. Damit es funktioniert, muss der Kabarettist den sogenannten Nerv des Publikums treffen, das heißt, er muss die Vorurteilsstruktur des Publikums bedienen, mit Aussagen wie »Politiker sind geldgierig« oder »Schlimm, dieses Doping« oder »Kurt Beck hat kein Charisma«, solchen Allerweltsmeinungen, die jeder von uns nach Maßgabe der aktuellen Nachrichtenlage spazieren trägt, bis sie, etwa durch einen überraschenden Schachzug von Kurt Beck, von einer anderen Allerweltsmeinung ersetzt werden wie die Winterkleidung von der Sommerkleidung. Dann haben es natürlich alle schon immer gewusst: »Der Beck ist ein ganz ausgeschlafener Bursche, der hat es allen gezeigt!«
Ein guter Leitartikel bringt einen manchmal dazu, eine Sache aus einem neuen Blickwinkel zu sehen. Eine Kabarettnummer aber operiert fast immer mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Die Mutter des Kabaretts ist der Stammtisch, wo die Männer beisammensitzen, sich am Po kratzen und wo einer sagt: »Schon gehört, wie der chinesische Sportminister heißt? Do Ping!« Diesen Gag brachte bei dem Wettbewerb damals genau ein Drittel der Kabarettisten, ich habe mitgezählt, das war damals die beliebteste deutsche Pointe.
Früher hat Kabarett vermutlich befreiend gewirkt, früher, als die Gesellschaft noch autoritär war und Politiker ferne Lichtgestalten, von denen man nur den offiziellen Widerschein mitbekam, wie bei Konrad Adenauer oder auch noch Willy Brandt. Es war bestimmt eine heiße Sache, wenn im Kabarett auf Willy Brandts Frauen- oder Straußens Alkoholkonsum angespielt wurde, weil das für die Presse Tabuthemen waren.
Inzwischen steht dieser Kram doch längst in der Zeitung, bevor er im Kabarett ankommt, von YouTube im Internet ganz zu schweigen, wo jedes Politikermissgeschick so lange besichtigt werden kann, bis alle sich satt gelacht haben. Es gibt keine Fallhöhe mehr, von der ein Kabarettist profitieren könnte. Bunte killed the Kabarett-Star.
Die meisten Kabarettisten sind verhinderte Politiker, das ist nun meine Allerweltsmeinung. Die meisten würden es gut hinkriegen. Dieter Hildebrandt wäre sicher ein hervorragender Bundespräsident geworden, einen besseren bayerischen Ministerpräsidenten als Gerhard Polt kann man sich nicht vorstellen, den Bruno Jonas sehe ich mehr so als Generalsekretär. Die hätten alle drei natürlich jede Menge komisches Potenzial für Beobachter. Mein Reformvorschlag für die politische Kultur in Deutschland: Es müsste Kabarettwettbewerbe geben, bei denen der erste Preis ein Bundestagsmandat ist.
Über Klassenkampf
In Berlin formiert sich gerade eine neue politische Bewegung. Auf
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