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Anständig essen

Anständig essen

Titel: Anständig essen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Duve
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für die Ledergewinnung töten. Lederartikel zu benutzen verursacht also nicht zusätzliches Leid, sondern ist allenfalls eine Respektlosigkeit. Wenn ich Schuhe aus Leder trage, sage ich damit, dass ich es okay finde, Tiere zu töten. Es demonstriert eine Haltung, die das Tier zum Gegenstand erklärt – käuflich, ausbeutbar und nicht zu berücksichtigen. Genau diese Haltung stellen Veganer grundsätzlich infrage. Und deswegen benutzen Veganer auch keine Gegenstände, für die ein Tier auf welche Weise auch immer herhalten musste.
    Ich fange in meinem Schlafzimmer an: Die Bettdecken sind mit Daunen gefüllt. Daunen sind kein Nebenprodukt der Geflügelmast, sondern eine nahezu gleichrangige Einnahmequelle. Dafür werden Gänse geschlachtet. Falls sie vor dem Rupfen geschlachtet werden. Bis zu 80 Prozent der aus China, Polen und Ungarn stammenden Daunen werden vom lebenden Tier gerupft. Harvesting ist der Fachausdruck dafür – ernten. Von einer toten Gans kann man nur einmal ernten. Wenn man dem lebenden Tier die Federn ausreißt, kann man das alle acht Wochen bis zum Schlachttermin wiederholen und bis zu vier Mal ernten. Wie das aussieht, hat dieJournalistin Katharina Nachtsheim auf Bild.de beschrieben: »Er klemmt sich das Tier zwischen die Oberschenkel, verdreht die Flügel. Es knackt. […] Und dann rupft der Mann dem armen Tier die Federn heraus. Bei lebendigem Leib. Grob, mechanisch, herzlos. Er zerrt so heftig, dass die Haut aufreißt. Der Arbeiter hält kurz inne, wischt sich den Schweiß von der Stirn, kramt in seinen Taschen. Er holt eine alte Nadel und einen Faden heraus, näht die Wunde zu. Ohne Betäubung. Zur Desinfektion schüttet er ein bisschen Industriereiniger auf die dürftig geflickte Stelle. Auf der Flasche steht »giftig«. Dann wirft er die Gans in die Ecke. Sie bleibt röchelnd am Boden liegen. Der Mann steht auf und holt sich das nächste Tier.«
    Die Hamburger Tierschutzorganisation Vier Pfoten deckte 2009 auf, dass auch die niedersächsische Firma Schwerk, die in Wistedt in der Nordheide eine der größten Gänsezuchtanlagen betreibt, offenbar seit Jahren lebenden Gänsen die Federn ausreißen ließ. Die Arbeiter scheuchten die Gänse mit Fußtritten zu den Rupfmaschinen, die eigentlich für tote Tiere gedacht waren, und pressten die schreienden Gänse gegen die rotierenden Metallscheiben. Das dürfte sich so angefühlt haben, als wenn einem jemand die Haare büschelweise ausreißt – und zwar das gesamte Kopfhaar. Eine große deutsche Daunenfabrik bestritt später den Einkauf der illegalen Ware. Lebendrupf ist schließlich EU -weit verboten. Wieso merken eigentlich die Veterinärämter nie etwas? Das ist doch deren Aufgabe, solche Betriebe zu kontrollieren. Und halb nackte Gänse dürften nicht so leicht zu übersehen sein. Wieso muss immer erst eine Tierrechts- oder Tierschutzorganisation im Verborgenen recherchieren, um solche Missstände aufzudecken? Peinlich für die Veterinärämter.
    Okay. Alles klar. Meine Daunendecken müssen also demnächst durch Bettdecken mit Kunststoff oder Baumwollfüllung ersetzt werden.
    Badezimmer: Seife wird meist aus Tierfett und Knochen gekocht, und im Shampoo ist vermutlich auch irgendetwas drin. Kosmetika werden ja erfreulicherweise seit 1998 nicht mehr durch Tierversuche getestet, aber ich kann natürlich nicht 100-prozentig ausschließen, dass in einem der Lippenstifte zerquetschte Cochenille-Läuse sind. Meine Honey-Drop-Bodylotion kann ich natürlich gleich in die Tonne hauen. Zahnpasta ist meist auch nicht vegan (hat etwas mit dem Fluor zu tun, das mittels Rindertalg als Emulgator in die Zahnpasta eingebracht wird) – und im Vitamin-C-Pulver ist Lactose, also Milchzucker. Wozu eigentlich? Wieso muss in fast jedem verdammten Produkt ein Schluck Milch oder ein Stück Tierleiche sein? Damit die Milch- und Fleischindustrie ihre Abfallprodukte loswird? Warum ist Gelatine in einem Zinkpräparat? Das lässt sich doch wohl auch herstellen, ohne dafür zuerst ein Tier totzuschlagen.
    Klamottenschrank: Schuhe und Stiefel sind fast alle aus Leder. Ich packe den größten Teil davon in einen Umzugskarton. Zwei Paar Lederschuhe behalte ich vorerst. Das ist natürlich etwas halbherzig. Aber ich denke mal, dass auch nicht alle Veganer von einem Tag auf den anderen schlagartig komplett vegan gelebt haben. Wenn ich jetzt alle Schuhe wegpacken würde, dann blieben mir nur noch ein Paar Laufschuhe aus Stoff, ein Paar Gummistiefel und Adiletten. Als Nächstes

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