Anständig essen
ernähren. Holland versucht es eine Nummer kleiner: Der Staat will künftig für einen fleischfreien Tag pro Woche werben. Das wird wohl kaum reichen. Aber zumindest scheint sich allmählich die Erkenntnis durchzusetzen, dass der zunehmende Verzicht auf Fleischkeine wirre Idee alternativer Spinner ist, sondern eine zwingende Notwendigkeit, wenn wir es noch ein paar Generationen lang machen wollen.
»Fleisch esse ich doch schon seit Jahren nur ganz selten«, jammert Jiminy.
»Ja«, antworte ich herzlos, »aber eigentlich hätte der Weltklimarat auch den Verzicht auf Milchprodukte und Eier vorschlagen müssen. Das trauen die sich bloß nicht.«
Die Leute haben ja gerade erst die Bio-Ernährung entdeckt, und man darf schon dankbar sein, dass sie fleißig Bio-Eier und ab und zu sogar mal ein Bio-Steak essen. Leider verseucht aber auch der Urin und Kot von Bio-Kühen und Bio-Hühnern Boden und Grundwasser. Mein Schwager, der Landwirtschaftsminister, behauptet sogar, Biohaltung verursache mehr Umweltbelastung pro Tier als Massentierhaltung. Allerdings behauptet er ja auch, ich brauche bloß bei einer Großschlachterei anzurufen, wenn ich sie besichtigen will. Trotzdem könnte natürlich etwas daran sein, dass ein Tier, das länger lebt, weil es nicht mit Turbo-Futter in Rekordzeiten gemästet wird, auch mehr Zeit hat, Kot, Urin und Methangase zu produzieren. Von Methangasen ist neuerdings ständig die Rede. Millionen und Abermillionen von Rindern verursachen nämlich nicht nur tonnenweise CO 2 , sondern aus ihren Bäuchen entweicht auch noch das 20- bis 25-mal so schädliche Methangas. So lächerlich es klingt – aber die Methan-Rülpser und Blähungen der Kühe sollen ein schwerwiegender Faktor für die Erderwärmung sein.
»Keine Regierung der Welt wird es je wagen, Fleisch zu verbieten«, sagt Jiminy. »Das gäbe eine Revolution.«
»Vielleicht macht man es wie bei den Rauchern. Zuerst wird das Fleisch mit hohen Steuern belegt, und irgendwann müssen Fleischesser dann im Restaurant mit ihrem Steak auf dem Teller vor die Tür gehen und draußen essen.«
»Ja«, sagt Jiminy, »und am Anfang sind sie deswegen unglücklich, aber dann entdecken sie, dass man dort unheimlich gut andere Steakesser kennenlernen kann.«
Sie öffnet die Kühlschranktür und sucht nach dem Sahnetöpfchen.
»Sag mal, was ist das denn?«
Ich blicke zum klinisch blauen Licht des Kühlschranks hoch und denke, sie meint die Katzenfutterdose. Peinlicherweise habe ich nämlich immer noch nicht auf Bio-Katzenfutter umgestellt. Aber Jiminy zeigt auf die Joghurts, Panna Cottas und Mousse au Chocolats.
»Was denn«, sage ich, »drei Tage habe ich schließlich noch. Ich muss mich doch von all meinen kleinen Freunden anständig verabschieden.«
»Das sind deine Freunde?«
»Ja klar. Das waren mal sehr gute Freunde von mir. Als ich noch nicht wusste, dass das alles Schwerverbrecher sind.«
Jiminy nimmt den wunderbaren Kirschquark mit Schokostreuseln von Aldi in die Hand.
»Der ist ja noch nicht mal bio!«
Ich senke ertappt den Kopf.
»Ist dir eigentlich klar, wie fett das Zeug macht?«
Dieses Risiko ertrage ich allerdings mit Gelassenheit. Die vier Kilo, die ich während der Bio-Phase zugenommen habe, sind durch vegetarische Ernährung genauso schnell wieder verschwunden. Obwohl ich weiterhin Bio-Lebensmittel gegessen habe.
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8
Mai – vegan
»Weh mir, Mutter, dass du mich geboren hast, einen Mann, der mit aller Welt in Zank und Streit liegt.«
(Jeremiah 15, Vers 10)
Vorgabe: Nichts vom Tier, weder auf dem Teller noch im Kleiderschrank.
Meine Eltern sind zu Besuch und laden mich zum Essen ein. Wir gehen in das Restaurant Seeterrassen, von dem man eine schöne Aussicht auf den Schermützelsee hat.
»Bestell, was du willst«, sagt mein Vater.
Meine Eltern haben es nicht immer leicht mit mir gehabt. Ich natürlich auch nicht mit ihnen. Aber wenn ich ehrlich bin, muss ich einräumen, dass es mit mir vermutlich ungewöhnlich lange ungewöhnlich anstrengend war. Sie haben ein wenig Ruhe verdient. Wir alle haben ein wenig Ruhe verdient.
»Na ja«, sage ich, »da ich ja jetzt Veganerin bin, kann ich froh sein, wenn es überhaupt etwas für mich gibt.«
Ich halte mich gar nicht erst bei der Tageskarte mit ihren Spargel-Spezialitäten auf. Spargel ohne Sauce hollandaise – das ist wie Mercedes ohne Stern, wie Sex ohne Liebe. Aber Sauce hollandaise besteht aus Butter, sehr viel Butter, und Ei. Ist also tabu.
»Kannst du nicht einmal
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