Anständig essen
kommen die Gürtel in den Karton. Lederjacken habe ich zum Glück nur zwei. Aber an einigen Taschen ist Leder mitverarbeitet worden. Ein Wollpullover, ein Seidenschal – ab in den Karton. Eine Pelzjacke, die ich vor 25 Jahren auf demFlohmarkt gekauft habe. Aus geflecktem Raubtierfell, und die Haare gehen auch schon aus. Verstößt womöglich auch noch gegen das Artenschutzabkommen – bloß nach ganz unten in den Karton.
Ach Gott, und die ganzen Reitsachen, die Sättel und Trensen, der Besatz der Reithosen – alles Leder. Mich komplett auf eine vegane Lebensweise umzustellen, wird viel aufwendiger, als ich dachte. Es ist ja nicht damit getan, irgendwelche Kunststoffsättel zu kaufen. Ich brauche einen Fachmann, der die Sättel dem Maultier und dem Pferd anpasst. Das geht nicht mal so eben nebenbei.
Mittendrin ruft mein Verleger an. Ich erzähle ihm, was ich gerade mache.
»Hast du an deine antiquarischen Bücher gedacht? Die sind mit Knochenleim gebunden«, sagt Wolfgang Hörner, »die kannst du auch nicht behalten. Ich würde sie dir abnehmen.«
»Das gilt nicht«, jaule ich auf, »das hätte ich überhaupt nicht bemerkt, wenn du das nicht gesagt hättest.«
Bücher mit Ledereinband sind natürlich auch dazwischen. Sollte ich nicht wenigstens die aussortieren? Auf jeden Fall merke ich langsam, dass zwei Monate ganz schön knapp sind, um mein ganzes Leben auf vegan umzukrempeln. Ich werde den Versuch lieber auf vier Monate ausdehnen, sonst schaff ich das gar nicht. Im ersten Monat werde ich mich damit begnügen, vegan zu essen, meine Lederkleidung auszusortieren und das Offensichtlichste zu ändern.
»Sehr gute Idee«, sagt Jiminy Grille. »Ich fand dein Leichenschauhaus schon immer gruselig.«
Mit Leichenschauhaus meint sie meine exquisite Sammlung ausgestopfter Tiere. Prunkstücke sind einNilpferdschädel und das Kopfpräparat eines Warzenschweins, die ich erstanden habe, als der Nachlass eines Großwildjägers verauktioniert wurde. Bis heute habe ich es nie ganz verwunden, dass ich damals nicht auch das vier Meter lange Krokodil ersteigert habe. Jetzt ist es natürlich ganz gut, dass es nicht mir gehört, denn von diesem Krokodil könnte ich mich nicht so ohne Weiteres trennen. Mir fällt die Trennung von dem Ein-Meter-Krokodil, von dem prächtigen Hirschkopf und dem netten Stockentenerpel schon nicht ganz leicht. Ich beschließe, meine besten Exemplare bloß einzumotten und vorerst nur die Hälfte der Präparate zu verkaufen. Ob ich mich wirklich von allen trennen will, kann ich ja am Ende des Experiments entscheiden. Ich nehme eine Birkhuhngruppe, ein kauerndes Rehkitz und zwei spielende Fuchswelpen von der Wand und versuche, sie mit den Augen eines Veganers zu betrachten. Was für eine Idee, sich tote Tiere hinzuhängen. Die Fuchswelpen sind allerdings ziemlich niedlich. Jiminy kommt herein.
»Das ist eine unglaubliche Geschmacklosigkeit, dass die Füchse auch noch so ausgestopft worden sind, als wenn sie spielen«, sagt sie. »Man würde sich ja auch keine niedlichen Kinder ausstopfen und, im Spiel erstarrt, ins Wohnzimmer stellen.«
Wo sie recht hat, hat sie recht.
»Bulli hast du schließlich auch nicht ausstopfen lassen.«
Ich erzähle ihr, wie ich einmal in Hanoi den präparierten Leichnam von Ho Chi Minh besichtigt habe, wie dort Tausende von Menschen in einer vier Kilometer langen Schlange stundenlang warteten, um noch einmal einen Blick auf ihren geliebten Präsidenten und Revolutionsführer werfen zu können. Wie sie bei seinem Anblick bitterlich weinten und sich vor ihm verbeugten.Selbst die alberne alte Vettel vor mir, die sich die Wartezeit damit vertrieben hatte, alle Umstehenden einzeln auf die Größe meiner Füße aufmerksam zu machen, wurde beim Anblick Ho Chi Minhs andächtig und ehrfürchtig.
»Es muss nicht unbedingt mit Respektlosigkeit zu tun haben, wenn man jemanden ausstopft«, sage ich.
»Denkst du, Ho Chi Minh wäre damit einverstanden gewesen?«
»Der war ja eher nicht so für Personenkult«, muss ich einräumen. Ich bitte Jiminy, mir zu helfen, die Präparate bei eBay einzustellen.
»Ich finde das nicht gut, mit Leichen zu handeln.Warum begräbst du die Tiere nicht im Garten?«
»Bist du wahnsinnig? Die sind von oben bis unten mit Gift getränkt. Die verrotten nicht. Ich kann höchstens versuchen, sie zu verschenken.«
Erstaunlicherweise will niemand die einst teuer ersteigerten Präparate haben. Nicht einmal geschenkt. Selbst mein Freund Johannes Schröer, bei dem
Weitere Kostenlose Bücher