Anständig essen
Tor geschossen. »Den haben sie eben erst eingewechselt, der ist erst ein paar Minuten drin.«
Aber letztlich hilft weder die große Fleischmenge, die die Deutschen vor und während der Weltmeisterschaft gegrillt haben, noch dass der Trainer im Stinke-Pullover herumläuft. Die Spanier schießen ihr Tor und Deutschland ist raus.
»Was hast du denn da in der Tüte?«
»Eine von Simbos Mäusen. Ich habe die Tüte an den Auspuff gehalten, um sie mit Kohlenmonoxid zu vergiften.«
Die deutschen Spieler wanken maßlos enttäuscht durch den Fernseher. Philipp Lahm hat Tränen in den Augen.
»Das geht doch gar nicht mehr mit den neuen Katalysatoren«, sagt Jiminy. Verdammt, daran habe ich nicht gedacht. Ich mache die Tüte auf. Die Maus ist jedenfalls tot.
»Wahrscheinlich ist sie an Sauerstoffmangel gestorben«, sagt Jiminy, »oder an ihren inneren Verletzungen. Sag mal, hast du auch das Gefühl, dass die Katzen mehr Mäuse fangen, seit sie das vegane Futter kriegen?«
Schwer zu sagen. Ihre Näpfe sind inzwischen zu 50 Prozent vegan gefüllt, aber sie fressen immer noch um das teure »Ami-Cat« herum und lassen eine Menge liegen. Beide sind deutlich schlanker geworden. Das kann aber auch an der Hitze liegen. Der Einzige, den wir für die vegane Lebensweise gewinnen konnten, ist der Garten-Igel, der sich jede Nacht über die Reste im Katzennapf hermacht. Ich bringe die tote Maus nach draußen, wo Simbo schon wartet. Ich zögere kurz, dann gebe ich sie ihm. Er kaut sie mit großem Genuss. Katzen würden Mäuse kaufen.
Inzwischen ist es nicht mehr anstrengend und kompliziert, vegan zu leben. Ich weiß, was ich essen kann, und ich weiß, woher ich es bekomme, und die meisten Sachen schmecken mir sehr gut. In den Supermärkten ist die Auswahl natürlich nach wie vor beschränkt. Manchmal mache ich noch einen Anlauf und schaue schnell einmal bei einer Packung Kekse nach, ob sie nicht doch zufällig ohne Ei und Butter gebacken wurden, nur, um sie dann jedes Mal seufzend zurückzulegen und mir doch bloß wieder eine Tafel Ritter Sport Marzipan in den Wagen zu legen. Ich bin so froh, wenn ich etwasfinde, das ich noch von früher kenne und das ich immer noch essen darf, dass ich jetzt viel weniger darauf achte, ob ein Lebensmittel »bio« ist.
Irgendwann ist mir dann auch eingefallen, dass Cola ja eigentlich vegan ist. Es muss ja nicht unbedingt Coca-Cola sein. Warum nicht regional kaufen und Vita-Cola light trinken? Leider kriege ich nach einigen Tagen prompt wieder Magenkrämpfe und Gelenkschmerzen in den Fingern. Es war mir vorher gar nicht aufgefallen, dass die weggegangen sind, seit ich keine Cola mehr trinke. Jetzt sind sie jedenfalls wieder da, aber jetzt kann ich natürlich nicht mehr aufhören mit dem Cola-Trinken.
Die Reismilchschokoladen, die mir in den ersten Wochen ganz passabel vorkamen, habe ich von einem Tag auf den anderen plötzlich nicht mehr runtergekriegt. Ein schauderhaftes Zeug. Ich kann überhaupt nicht mehr verstehen, wie ich die einmal essen konnte. Vielleicht verhält sich Reismilchschokolade zu Vollmilchschokolade wie Methadon zu Heroin. Es hilft einem beim Entzug, aber letztlich kann es dem Vergleich mit der echten Droge nicht standhalten. Überhaupt verliert Essen, obwohl ich immer mehr interessante vegane Speisen entdecke, für mich an Bedeutung. Das Waffel-Eis aus dem Vegan-Laden schmeckt eigentlich ganz genauso gut wie ein ähnliches Eis aus Milch. Jedenfalls, während man es isst. Aber wenn man damit fertig ist, scheint plötzlich irgendetwas gefehlt zu haben. Vielleicht gibt es in der Milch einen Stoff, der die kleinen Kinder und Kälber ruhig und zufrieden macht. Kann aber auch Einbildung sein. Schließlich hat mir ja auch noch nie etwas gefehlt, wenn ich die Croissants von Knack & Back gegessen habe. Dass die vegan sind, also ohne ein einziges Gramm Butter hergestellt werden, habe ich erst über die Listenveganer Lebensmittel im Internet erfahren. Allein wäre ich da nie im Leben drauf gekommen. Auf meiner Internet-Startseite steht seit Tagen ein Bericht darüber, dass auch die meisten Fertigsoßen, die sich Sauce hollandaise nennen, überhaupt keine Butter und kaum Ei enthalten. Der Bericht tut so, als wäre das Ersetzen von tierischen Produkten in einem Lebensmittel durch pflanzliche ein Verbrechen am Verbraucher – vergleichbar dem Gammelfleischskandal. Ich hingegen horche natürlich auf. Wäre das nicht was für mich? Aber neben prima veganen Zutaten wie 80 % Sonnenblumenöl ist in
Weitere Kostenlose Bücher